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Das Ausland. 1,2.1828

vorgestellt, nur daß ihre Geschenke weniger betrugen und der Kaiser nicht mit ihnen sprach. – In dem Zimmer, in welchem ich meine Staatskleider ablegte, konnte ich die schönen Verzierungen nicht genug bewundern. Es war ganz mit weißem Marmor getäfelt, mit Blumen und Blättern aus grünem Lazurstein, und blau und rothem Porphyr eingelegt; die Blumen waren im besten italienischen Styl und offenbar das Werk eines Künstlers aus jenem Lande. Alles aber war schmutzig, verfallen und öde. Die Hälfte der Blumen und Blätter war herausgenommen oder auf andere Weise entstellt; die Thüren und Fenster befanden sich in gänzlichem Verfall; ein Haufen alten Zimmergeräthes lag in einem Winkel aufgeschichtet, und ein Stück einer verschossenen Tapete hing über dem Bogengang, der in die innern Gemächer führt. „In dieser Weise,“ bemerkte Herr Elliott, „ist der ganze Palast ausgestattet und unterhalten; was sich nicht von völliger Mittellosigkeit, sondern davon herschreibt, daß diese Leute keinen Begriff von Reinlichkeit oder Ausbesserung haben.“ Ich für meinen Theil dachte an die bekannte persische Strophe:

„Und die Spinne hing ihr Netz auf in dem Palaste Afrasiabs“ –

und fand ein melancholisches Interesse in Vergleichung des gegenwärtigen Zustandes dieser armen Familie, mit dem vor 200 Jahren, wo Tavernier Delhi besuchte, oder in Vergleich mit der Beschreibung des Palastes in der Erzählung der Frau von Genlis.“

„Nachdem ich meine gewöhnlichen Kleider wieder angelegt hatte, warteten wir eine Weile, bis man uns hinterbrachte, daß „der König der Könige,“ „der Schah in Schah“ sich in sein Zennana zurückgezogen habe; wir begaben uns sodann in den Audienzsaal, den ich wegen der vielen Anwesenden und der nothwendig zu beobachtenden Förmlichkeiten nur flüchtig betrachten konnte. Es ist ein ungemein schöner Pavillon von weißem Marmor, der sich auf der einen Seite in den Palasthof, auf der andern in einen großen Garten öffnet. Seine Pfeiler und Bogen sind aufs künstlichste ausgehauen, mit Gold, eingelegten Blumen und Inschriften von den feinsten persischen Schriftzügen verziert. Rings um den Fries steht das Motto aus Lalla Rookh, wie ich glaube,

„Gibt’s ein Elysium auf Erden,
So ist es hier!“

die Marmorflur ist an den nicht mit Teppichen überdeckten Stellen auf dieselbe prachtvolle Weise ausgelegt, wie das kleine Ankleidezimmer, das ich verlassen hatte; die Gärten, welche wir nächst dem besuchten, sind nicht groß, müssen aber einst in ihrer Art äußerst schön und kostbar gewesen seyn. Sie sind voll von sehr alten Orangen- und andern Fruchtbäumen, mit Terrassen und Blumenbeeten, in denen viele Rosenstöcke und selbst noch einige Jonquillen in der Blüthe standen. Ein marmorner Wasserkanal mit kleinen Wasserröhren, in der Form von Rosen, läuft da und dort durch die Blumenbeete hin, und am Ende der Terrasse steht ein schöner achteckiger Pavillon, gleichfalls aus Marmor, mit denselben Mosaikblumen eingelegt, wie in dem Zimmer, in das ich zuerst getreten, mit einem marmornen Brunnen in der Mitte, und einem einladenden Bad im Hintergrund. Die Fenster des Pavillon, in gleicher Höhe mit der Stadtmauer, bieten eine weite Aussicht über Delhi und seine Nachbarschaft. Alles aber, wohin wir sahen, war schmutzig, öde und ärmlich, – das Bad und der Brunnen ausgetrocknet – das ausgelegte Pflaster mit Gartenkehricht und anderem Unrath bedeckt, und die Mauern von Vögel- und Fledermäusekoth besudelt.“

„Von da wurden wir in die Privatmoschee des Palastes geführt, – ein elegantes, kleines Gebäude, gleichfalls von weißem Marmor, und äußerst künstlicher Arbeit, allein in demselben Zustand von Verfall und Verödung; überall sproßte Unkraut üppig empor, die äußere Vergoldung war theilweise abgerissen, und einige Thüren blos mit Ziegelsteinen verbaut und unübertüncht. Schließlich gingen wir auch noch nach dem Irwani Aum, dem öffentlichen Audienzsaal, in dem äußern Hofraume, wo bei gewissen Gelegenheiten der Großmogul feierliche Audienz gab, um die Huldigungen oder die Petitionen seiner Unterthanen zu empfangen. Auch dieß ist ein prachtvoller marmorner Pavillon, der Form nach dem andern Audienzsaal nicht unähnlich, aber beträchtlich größer und nur nach drei Seiten hin offen; die vierte schließt eine schwarze Mauer, mit ähnlicher Mosaikarbeit in Blumen und Blättern, wie sie schon mehrmals erwähnt wurde, bedeckt; in der Mitte erhob sich zehn Fuß hoch vom Boden ein Thron, mit einem kleinen erhöhte Tritte, von dem aus der Vezier seinem Gebieter die Bittschriften zu überreichen pflegte. Hinter diesem Throne sind Mosaikgemälde von Vögeln, vierfüßigen Thieren und Blumen zu sehen, und in der Mitte (was entschieden für einen italienischen oder wenigstens europäischen Künstler spricht,) eine kleine Gruppe, Orpheus darstellend, wie er die wilden Thiere mit seinem Gesange bezaubert. Dieser Saal war, als ich ihn sah, mit allerlei Plunder, zerbrochenen Palankinen und leeren Kisten angefüllt, und der Thron so mit Taubenmist bedeckt, daß man seine Verzierungen kaum noch entdecken konnte. Wie wenig ahnte der Gründer dieser stattlichen Gebäude, Shah jehan, was das Schicksal seiner Nachfolger, oder was sein eigenes seyn würde! – Vanitas vanitatum! steht mit furchtbaren Zügen auf den zerfallenen Arkaden von Delhi geschrieben!“

(Fortsetzung folgt.)


(Fortsetzung.)

Wenn die deutsche Sprache, deren junge Wurzeln mit frischer Jugendkraft in einen noch nicht erschöpften Boden sich senkten, einem lieblichen Walde mit lauter großen und schönen Bäumen gleicht, so ist die schon in ihrer Kindheit durch die gleichzeitige Entwicklung zahlreicher Nebensprachen beengte französische Sprache ein Wald mit alten abgehauenen Stämmen, worauf eine Menge der verschiedensten Baumarten geimpft sind, die aber nur saftloses Holz treiben, und keine eigentliche Zeugungskraft besitzen.

Die deutsche Sprache hat ihre Mundarten, die französische

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_397.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2021)