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Das Ausland. 1,2.1828

„Tragischer war das Schicksal des unglücklichen Meyer, welcher die griechische Chronik gegründet und beinahe zwei Jahre lang mit vielem Geist redigirt hatte. Während meines Aufenthaltes in Napoli di Romania traf ich zufällig mit dem Capitano zusammen, den Meyer und seine Gattin, eine junge Missolunghiotin, die ihr erstes Kind an der Brust trug, bekleidete. Bereits in der Nähe des Gebirges angekommen, sahen sie plötzlich einen Trupp türkischer Cavallerie ihnen nacheilen. Meyer, die Unmöglichkeit einsehend, sein Weib und Kind zu retten, bat die Griechen ihn zu tödten. Diese aber rissen ihn in wilder Flucht mit sich fort, bis die Türken sie erreichten und Meyer unter ihren Säbeln fiel. Seine Gattin und sein Kind kamen in die Sklaverei, in der sie noch jetzt schmachten sollen, da die Fonds der Societät zu Corfu zu gering waren, um ihre wohlthätigen Bemühungen fortsetzen zu können. Meyer war ein geborner Preuße, und ganz von jenem Geiste des Republicanismus erfüllt, der in Deutschland so rasche Fortschritte macht.[1] Die Strenge und Rechtlichkeit, mit der er stets die Raubsucht der Capitäns und anderer Chefs bekämpfte, zog ihm viele Feinde zu. Als er getödtet wurde, trug er ein genaues Tagbuch über die ganze Belagerung bei sich, auf welches er, wie mich die Gefährten seiner Flucht versicherten, großen Werth legte.“

Ueber Cerigo schreibt Blaquiere: „Obgleich von Natur dürr und unfruchtbar, bietet Cerigo (das alte Cythära), doch vieles Interesse dar, theils wegen seiner klassischen Erinnerungen, theils weil es in den letzten Jahren ein Hauptzufluchtsort einer großen Anzahl griechischer Familien, sowohl vom Festlande als von den Inseln des Archipels war, welche die Revolution vom heimathlichen Heerde trieb. Von allen Inseln der jonischen Republik lernte Cerigo den brittischen Einfluß vielleicht am meisten von seiner wohlthätigen Seite kennen. Der Resident, Capitän Mc. Phail, hat wirklich Wunder gethan. Sein erstes Werk war, daß er herrliche Wege bauen ließ, wobei die größten Schwierigkeiten überwunden, lange Felsenrücken durchbrochen und gesprengt, Hügel und Thäler durch treffliche Brücken verbunden, und auf diese Art Communicationslinien hergestellt wurden, welche nicht nur für die Zukunft der Insel größern Wohlstand versprechen, sondern auch schon jetzt den Bewohnern unendlich viel Vortheile und Annehmlichkeiten darbieten. Dann richtete der Resident seine Aufmerksamkeit auf die Verbesserung des Ackerbaues, so daß auch hierin bedeutende Fortschritte gemacht wurden. Sein ruhmwürdigstes Verdienst aber bleibt die Gründung einer Anzahl Lancaster-Schulen in verschiedenen Theilen der Insel. Ich habe die meisten derselben besucht, und war nicht wenig erstaunt, sie nicht allein voll von Zöglingen beiderlei Geschlechts, sondern auch eben so gut geleitet, wie die in England zu finden. Die Fortschritte, welche manche von diesen Schülern gemacht haben, sind wirklich erstaunenswerth. Ich fand, daß von tausend Zöglingen – der gewöhnlichen Zahl, welche Unterricht genießt – gegen zweihundert und fünfzig nicht nur ihre Erziehung in drei Jahren vollendet hatten, sondern auch bereits alle mit passenden Anstellungen, meist in Handlungshäusern, versorgt waren. Dieses Resultat der Bemühungen des Residenten ist von der höchsten Wichtigkeit. Auf diese Weise muß Cerigo das Medium werden, durch welches die Wohlthaten der Erziehung und des Unterrichts rings in der Levante verbreitet werden, um so mehr, als ein großer Theil der Schüler aus Kindern der griechischen Flüchtlinge besteht.“

Von Epidaurus sagt der Verfasser: „Epidaurus ist sehr freundlich gelegen, und muß, wenn Griechenland eine unabhängige Existenz erhält, ein Platz von bedeutender Wichtigkeit werden. Es hat zwei Seehäfen, beide groß genug, um Kriegsschiffe aufzunehmen, doch nicht genug vor Winden geschützt. Das Vorgebirge, welches diese zwei Einfahrten trennt, ist mit Ruinen und Cisternen bedeckt. Manche Theile der alten Mauer, mit der es, gleich der alten Akropolis umgeben ist, sind noch ganz erhalten. Die angebaute Gegend in der Nähe derselben ist ausnehmend fruchtbar an Korn, Wein, Oel und Baumwolle. Eine große Strecke von Weinbergen an dem südlichen Seehafen, auf denen ehemals ein Theil der Stadt stand, erzeugt einen der herrlichsten Weine Griechenlands. Aus der Art und der Ausdehnung der Ruinen, unter denen man Tempeltrümmer, Triumphbögen, große Bäder findet, zu schließen, muß Epidaurus sehr bevölkert gewesen seyn. Die umgebenden Hügel sind mit Wald bedeckt, von dem ein großer Theil Materialien zum Schiffbau liefert, und der in früherer Zeit wohl von wilden Schweinen bevölkert war, welche einst in diesem Lande einen der größten Luxusartikel der Tafeln bildeten. Die Hügel scheinen sehr mineralreich zu seyn, besonders an Blei und Eisen, wahrscheinlich auch an Kupfer. Dieser Mineralreichthum ist den meisten der Gebirgszüge der jonischen Inseln gemein.“

„Die Umgegend von Epidaurus wird durch Jakals oder wilde Hunde, wie sie die Einwohner nennen, sehr unsicher gemacht. Regelmäßig jeden Abend nach Sonnenuntergang nähern sich dieselben dem Dorfe, beginnen ihr durchdringendes Geheul, bis sie damit ihre zahmen Brüder im Dorfe aufjagen, welche nun einen Ausfall auf sie machen, wo sodann ein allgemeiner Kampf beginnt, der stets damit endet, daß die Jakals zu ihren Lagern, in die Höhlen des benachbarten Waldes zurückgejagt werden.“

„In Epirus ist das wilde Schwein größer und wilder, als in irgend einem andern Theile Griechenlands. Die Jäger lauern auf ihre Beute häufig auf den Gipfeln der Bäume. Die Jagdpartien bestehen meist aus fünf oder sechs Mann, mit Musketen und Attaghans bewaffnet. Nichts kann mahlerischer seyn, als die Rückkehr eines solchen Jägerzugs, wenn er die gewundenen Pfade der Hügel herabsteigt. Die Beute wird auf einer Stange von zweien aus der Gesellschaft vorausgetragen, während die Uebrigen ihre Triumphlieder singen. Ich wurde dabei jedesmal sehr an die ganz ähnlichen Darstellungen auf den antiken Basreliefs erinnert.“

  1. Man übersehe nicht, daß hier Hr. Blaquiere spricht.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 343. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_357.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)