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Das Ausland. 1,2.1828

Dramatische Literatur der Hindus.


(Schluß.)

Die Beschränktheit des Raumes erlaubt uns nur wenige kurze Stellen, als Proben der schönen poetischen Sprache dieser Dramen, auszuheben; wir hoffen, daß bald das Ganze, von dem hundert schönere Stellen doch nur einen schwachen Vorschmack geben könnten, durch einen geistreichen Uebersetzer in die Hände unserer Leser kommen wird.

Ein Garten, der den Frühling verkündet.
 Im Kuruvaka sieh
Der Schönen bunt gemalte Finger, roth
Gefärbt die Mitt’, in Ebenholz gefaßt;
Hier treibt Asoka ihre jungen Knospen,
In Blüthen ausgebrochen, hier umschlingt
Des braunen Mango’s dicht gedrängte Blumen
Die Ranke, welche seine Gluth verbirgt:
Ich seh die Göttin,[1] und zu jeder Hand
Die knospende Kindheit und die blühende Jugend.


 Ein Hindu-Mittag.
S’ist Mittag, durch die Gluth erschöpft
Stürzt sich der Pfau in den sparsamen Pfuhl,
Der des erhabnen Baumes Wurzel nährt.
Die Biene schlummert in der dunkeln Kammer,
die dort des Lotus Blumenblatt umschließt;
An dem Gestad’ des warmen Sees verbirgt
Die Ente sich im Rohr und sehnend klagt
Der Papagei in seinem Gitterkäfig
Und ruft um Wasser, seinen Durst zu stillen.


 Schöne Augen.
Die Augen, die, dem braunen Lotus gleich,
Wenn er vom West gewiegt ist, zitternd glüh’n,
Indem sie furchtsam durch den Vorwand sich
Entschuldigen, daß sie die Kränze winden,
Die Strahlen des Entzückens auf dich heften,
Wie Pfeile von der Brauen schönem Bogen,
Der sich gleich Kama’s[2] Bogen lieblich krümmt.


 Ein verliebtes Mädchen.
Ich sehe sie mit Lust und mit Entzücken,
Schlank die Gestalt und zart, das Antlitz blaß,
Dem jungen Pisang, dem vergeh’nden Monde gleich.
Süß ist sie, anmuthsvoll ist sie dem Aug’,
Ob auch die Wange schmal; – denn alles zeigt,
Daß hier der Liebe Gluth den Sieg errang,
wie in des Jünglings gleich entflammter Brust.
Nur Ein Gedanke lebt in ihr und sie
Lebt nur für Ein Gefühl; das Kleid ist los,
Die sanfte Lippe bebt, die zarte Wange
Benetzen Thränen, und der Busen wallt;
Das dunkle Aug’ in süßem Selbstvergessen
Schwimmt feucht und flüssig; und aus jedem Blick,
Jeder Geberde spricht der Liebe Sehnen.


     Die einäugige Gemahlin des Gottes Siva.
 Rollt dein furchtbares Haupt,
So zieht das düstre Aug, das mitten glüht
Auf deiner Stirn, von Flammen einen Kreis,
Deß grauser Schwung die Sphären wild umfängt,
Indeß das Banner deines Schreckensstab’s
Des Himmels Sterne aus den Bahnen wirft.


 Zwielicht.
 Und nun an’s Werk; denn sieh!
Die Dämm’rungsstunde hängt im Westen schon,
Und, gleich der schwarzen Blüthe der Tamala,
Schleicht an dem Saum des Horizont’s das Dunkel;
Der Erde Grenzen haben sich verloren,
Als hätten sie sich in die Fluth getaucht;
Und ihren milden Schatten leiht dem Wald
Die junge Nacht, als stiege Rauch empor,
Der vor dem Winde sich in Nebel theilte.


 Eine Beschwörungsscene.
Die Schrecken dieses Orts erwachen nun,
Von bösen Geistern dicht umdrängt; die Flammen
Der Scheiterhaufen leih’n ihr düstres Licht,
Gehemmt von ihrer Speise, spärlich nur,
Das finstre Graus, das sie umgibt, zu theilen.
Gespenster spielen bleich mit Kobolden,
Und ihre Lust ächzt rings das Echo wieder!
Wohl, sey es so! ich will und muß sie fragen.
Ihr körperlichen Geister, ihr Dämonen,
Die diesen Ort besucht! ich bring euch Fleisch –
Fleisch eines Menschen, unberührt vom Stahl
Und euer werth.       (Getöse.) Wie das Gezischel wild,
Verwirrt und schrillend, jetzt den Beinhof füllt!
Seltsame Bilder fliehen durch die Wolken,
Sie gleichen Füchsen, und vom rothen Haar
Der magern Leibern glüht ein Feuerschein;
Die Rachen, die von Ohr zu Ohr sich ziehn,
Sind mit zahlreichen Zähnen dicht besetzt;
Aus Aug und Bart und Brauen strömt die Gluth.
Und nun das Geisterheer! Ein jeder schreitet
Auf Beinen, Palmen gleich, ein dürr Skelett,
Deß Knochen, fleischlos, Sehnen nur verbinden,
In eingeschrumpfte, schwarze Haut gehüllt.
gleich hohen Bäumen, welk, vom Blitz getroffen,
So nah’n sie; und, wie um verdorrte Stämme
Sich die gewalt’ge Schlange windet, so
So rollt in jedem Schlund, weit aufgesperrt,
Die schwere Zunge, die von Blute trieft.
Jetzt nehmen sie mich wahr, und halb gekaut
Fällt dort dem Wolf dem grimmig heulenden
Der Bissen zu; – und jetzo flieh’n sie!
 (Pause, um sich sehend).
 Scheußliches Geschlecht!
So feig, als scheußlich! Alles ist umher
In tiefe Nacht versenkt. – Und vor mir fließt ein Strom,
Der diesen Leichengrund begrenzt und sich
Durch moderndes Gebein, oft unterbrochen, windet.
Wild tobt der Strom, wie er vorüberrauscht,
Und bricht die Uferwand, die er durchwühlt.
Die Eule heult im Wald, der ihn umsäumt,
Ihr Klaggeschrei und Antwort gellt darauf
Des Jakals lautes langes Trauerwinseln.

Tausend Jahre sind vergangen, seit die Blüthezeit der dramatischen Literatur der Hindus vorüber ist; und man kann kaum sagen, daß das armselige Puppenspiel der auf den Märkten herumziehenden Gaukler in unsern Tagen auch nur eine Spur des Andenkens an dieselbe bewahre. Aber die Meisterwerke derselben leben noch in dem geheimnißvollen Samskrit und sind in den Büchersammlungen der Brahmanen so frisch und schön erhalten, als sie aus den Händen ihrer Schöpfer hervorgingen.

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_334.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)
  1. Des Frühlings.
  2. Der Liebesgott der Hindu.