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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 75. 15. März 1828.

Die Insel Cypern.

(New Monthly Magazine.)

Wir schifften uns auf einer leichten Handelsbarke von Beyrouth nach Cypern ein, und stiegen in Larnica ans Land, dem Aufenthaltsort aller europäischen Consuln auf der Insel Cypern. Es liegt unter einem ungesunden brennenden Klima. Die Umgebungen sind sandig, der Boden von der Hitze verbrannt; nur wenige grüne, schattige Stellen. Während zwei Drittheilen des Tags kann man es in den Straßen vor Hitze nicht aushalten.

Ich war an den englischen Consul, Vandiziani, einen gebornen Griechen, empfohlen. Er nahm uns aufs freundlichste auf. Die Insel genoß zu dieser Zeit einer trügerischen Ruhe. Die Niedermetzelungen der Griechen hatten nur aufgehört, um bald darauf mit vermehrter Wuth wieder zu beginnen. Kurz vor unserer Ankunft waren mehrere Priester erwürgt worden, und eines Abends, als wir ruhig im Vorsaale des Consulathauses saßen, ermordete ein türkischer Soldat einen Griechen vor unsern Augen.

Der Pascha von Egypten, unter dessen Schutz die Insel gestellt ist, hatte zwei tausend Mann Truppen hiehergeschickt, um jeder Empörung zu begegnen. Auf einmal erhielten wir die Nachricht, diese Truppen seyen in Aufruhr, weil sie keinen Sold erhielten; sie wollten auf das Arsenal marschiren, sich der Schiffe bemächtigen und nach Egypten zurückkehren. Die ganze Stadt kam in Schrecken. Der österreichische Consul flüchtete sich zu Schiffe; der englische verrammelte sein Haus, entschlossen es im Fall der Noth mit uns und seiner Dienerschaft zu vertheidigen. Indessen ging die Nacht vorüber. Die Truppen hatten sich nach Famagusta gewendet und waren dort von den Anführern durch Versprechungen wieder zur Ruhe gebracht worden.

Um ihr Leben zu retten, waren mehrere Griechen auf Cypern Muselmänner geworden. Einer von ihnen, ein reicher Kaufmann, von großer Corpulenz, kam oft in das Haus des Consuls, und jammerte wie er (es war gerade das Fest des Ramadans) fasten und drei und sechszigmal des Tages, das Gesicht gegen Mecca gewendet, sich niederwerfen und mit der Stirne die Erde berühren müsse. Die Muselmänner bewachten ihn mit Argusaugen.

Einer andern Familie hatte man einige Tage Bedenkzeit gegeben, um zwischen dem Koran und dem Tode zu wählen. Bereits hatte der Mann eingewilligt, Muselmann zu werden; seine Gattin aber blieb unbeweglich und zog den Tod vor, so wie schon oft in diesem Kriege die Frauen den Männern an großartigen Entschlüssen vorangegangen waren.

Durch die Nähe Egyptens, die Abreise aller ausgezeichneten Griechen und die Schwäche derer, die blieben, sah sich die Insel ohne Widerstand dem Uebermuth ihrer Unterdrücker preisgegeben. Die Schlösser waren zerstört, die Gärten verwüstet, die Besitzer Bettler, und die Frauen, im Schoose des Reichthums erzogen, nun umherirrend, ohne Familie und Obdach. Die herrlichsten Ländereien konnte man um einen Spottpreis erhalten. Ich sah, wie ein prachtvolles Schloß mit einem dazu gehörigen Dorfe und einer großen Domäne um vier tausend Gulden verkauft wurde.

Wir nahmen uns vor, das Innere der Insel zu besuchen. Der Consul gab uns seinen Secretär und einen seiner Bedienten zur Begleitung. Ein Janitschar, mit einem eigenen Diener, diente uns als Schutzwache. So waren wir zu neun. Unser erstes Nachtlager war in einem kleinen griechischen Dorfe, wo wir sehr gut aufgenommen wurden. Mit Anbruch des Tages setzten wir uns wieder zu Pferde. Das Wetter war herrlich und der Himmel so rein, daß die fernsten Berge hell und klar vor uns lagen. Bald stießen wir auf ein hohes, halb zerstörtes Gebäude, alles öde und leer. Ein Landmann, den wir an dem Teiche des Gartens fanden, erzählte, daß der Herr von den Türken ermordet, Frau und Kinder aber genöthigt seyen zu dienen.

Von hier gelangten wir in Cytherens anmuthiges Thal. Ein griechischer Priester empfing uns freundlich in seiner malerischen Wohnung, mitten in einem schönen Garten von Orangen und Citronen voll Blüthen und Früchten. Unsere Abendkost bestand in Ziegenfleisch, zu verschiedenen Ragouts zubereitet.

Das Dorf besteht aus einer Anzahl isolirter Strohhütten, deren jede ihren Garten und, so groß ist der Ueberfluß an fließendem Wasser, auch fast jede ihren kleinen Bach hat. Das Feld ist bedeckt mit Orangen-, Citronen-, und Maulbeerbäumen. Auch die Seidenernte ist beträchtlich. Mitten unter den Strohhütten lag das verlassene Haus eines griechischen Bojaren.

Die umliegenden Berge mit ihren mannigfaltig geformten Gipfeln bildeten die malerische Umgebung. Von einem derselben aus genoßen wir eine herrliche Aussicht auf das Meer und auf die schroffen Ufer von Caramanien.

Indem wir unsern Zug ins Gebirg fortsetzten, gelangten

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_311.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)