Seite:Das Ausland (1828) 241.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 58. 27. Februar 1828.

Maria Stuart in ihren letzten Stunden.[1]


Seit zwei oder drei Tagen hatten Marias Dienstboten mit Verwunderung die häufige Ankunft von Fremden zu Fortheringay bemerkt. Am 7. Februar 1587 ward der Graf von Schrewsbury angekündigt; sein Amt als Graf-Marschall ließ im Augenblick auf die unglückliche Veranlassung seines Besuches schließen. Die Königin, die so eben erst aufgestanden war, kleidete sich an, und setzte sich dann an einen kleinen Tisch, während sie ihre Dienstboten, sowohl männliche als weibliche, neben sich zu beiden Seiten treten ließ. Der Graf trat ein mit entblößtem Haupte; ihm folgte der Graf von Kent, der Sheriff und einige Gentlemen der Grafschaft. Nach kurzer Einleitung verlas Beal mit lauter Stimme den Befehl zur Hinrichtung. Maria hörte es an, ohne ihre ruhige Haltung im mindesten zu verändern. Dann bekreuzte sie sich, und hieß die Eingetretenen willkommen. Der Tag, sagte sie, den sie so lange herbeigewünscht habe, sey endlich angebrochen. Nahe an zwanzig Jahre habe sie im Gefängnisse geschmachtet, ohne Nutzen für andere und sich selbst zur Last. Das Ende eines solchen Lebens sey für sie eben so glücklich und ehrenvoll, als wenn sie ihr Blut für ihre Religion vergießen sollte. Hierauf zählte sie die Beleidigungen auf, die sie erduldet, und die Anerbietungen die sie gemacht habe, erwähnte die Kunstgriffe und die Hinterlist ihrer Feinde, und schloß endlich, indem sie die Hand auf ein auf dem Tische liegendes Testament legte, mit den Worten: „Was den Tod eurer souveränen Königin betrifft, so rufe ich Gott zum Zeugen an, daß ich niemals daran gedacht, niemals ihn gesucht, noch je meine Einwilligung dazu gegeben habe.“

„Dieß Buch,“ rief der Graf von Kent, „ist ein päpstliches Testament, und folglich der Eid auf dasselbe ohne Werth.“ „Es ist ein katholisches Testament,“ erwiederte die Königin, „und aus diesem Grunde verehre ich es nur um so mehr; deßwegen müßt ihr, Eurem eignen Urtheile zufolge, meinen Eid für um so befriedigender halten.“

Maria hatte die Ankündigung ihres nahen Todes mit solch heitrer Ruhe und mit solcher Würde aufgenommen, daß die Anwesenden aufs tiefste davon ergriffen waren. So wie die Grafen das Zimmer verlassen hatten, brachen ihre Dienstboten in Thränen und Wehklagen aus, sie aber gebot Stillschweigen, indem sie sagte: „Es ist nicht Zeit zu klagen, sondern vielmehr sich zu freuen. In wenigen Stunden werdet ihr das Ende meiner Leiden sehen. Meine Feinde mögen nun sagen, was ihnen beliebt; der Graf von Kent aber hat das Geheimniß verrathen, daß meine Religion die eigentliche Ursache meines Todes ist. Gebt euch zufrieden und überläßt mich meiner Andacht.“

Nach einem langen und heißen Gebet ward die Königin zum Abendessen aufgefordert. Sie aß wenig, und trank, bevor sie vom Tische aufstand, allen ihren Dienern zu, welche, zur üblichen Erwiederung, auf ihren Knien ihr Bescheid thaten, und sie wegen der Fehler, die sie in ihrem Dienste begangen hätten, um Verzeihung baten. Sie vergab ihnen mit heitrer Mien, forderte sie auch ihrerseits auf es zu vergessen, wenn sie je in Worten oder Werken sich unfreundlich gegen sie benommen habe, und fügte dann noch einige Worte der Ermahnung bei, wie sie sich künftig im Leben betragen sollten.

Die meiste Zeit dieser bedeutungsvollen Nacht, der letzten ihres Lebens, brachte Maria damit zu, daß sie ihre häuslichen Angelegenheiten ordnete, ihren letzten Willen und drei Briefe, an ihren Beichtvater, ihren Vetter von Guise, und den König von Frankreich schrieb. Dann überließ sie sich ihren Andachtsübungen. Sie zog sich, mit ihren beiden Dienerinen, Johanna Kennedy und Elsbeth Curle, in ihr Schlafzimmer zurück, wo sie mit diesen abwechselnd bald betete, bald sprach, und in dem Lesen des Leidens Christi und einer Predigt über den Tod Trost und Stärkung suchte. Gegen vier Uhr endlich ging sie zur Ruhe; man bemerkte aber, daß sie nicht schlief. Ihre Lippen waren in beständiger Bewegung und ihr Geist schien ganz in Gebet versunken.

Beim ersten Lichte des Tages versammelt sich ihr Gesinde um sie. Sie las ihm ihren letzten Willen vor, vertheilte ihre Kleider und ihr Geld unter dasselbe, und sagte ihm Lebewohl, wobei sie die Frauen küßte, den Männern aber die Hand zum Kusse reichte. Hierauf folgten sie ihr weinend zur Capelle. Maria nahm ihren Platz dem Altar gegenüber; die Diener knieten hinter ihr nieder und beteten...

In der Mitte des großen Burgsaales ward ein Schafott errichtet, mit schwarzem Tuche überhangen und mit

  1. Aus Lingard’s History of England, Vol. VIII. Beurtheilungen dieses neuen Meisterwerks der historischen Kunst haben schon die meisten unserer literarischen Blätter geliefert. Doch werden einige Auszüge aus den letzten, weniger bekannten Theilen unsern Lesern nicht unwillkommen, und dem Zwecke dieses Blattes nicht entgegen seyn. Die von Salis begonnene Uebersetzung reicht erst bis zum 6ten Band.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_241.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)