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Das Ausland. 1,2.1828

Doch wird man leicht einsehen, daß diese beiden Parteien (in ihrer ursprünglichen Bedeutung und ohne Beziehung auf zufällige Umstände) im Wesen der Verfassung zu tief begründet sind, um nicht stets unter anderen Namen fortzudauern. Sie halten einander das Gleichgewicht und die Bahn der Verfassung auf der Mittelstraße, indem sie jeder Ausschweifung, wodurch einerseits der Föderativ-Regierung, anderseits den Regierungen der einzelnen Staaten zu viel Gewalt eingeräumt würde, Schranken setzen.

Sie haben unstreitig aus den Zeitungen viel von dem großen Tumult vernommen, den die letzte Präsidenten-Wahl verursachte, und ich zweifle nicht daran, daß in Europa mancher der Meinung war, daß ein Bürgerkrieg nicht mehr fern sey. Doch ist der That nichts lächerlicher, als diese Furcht, da die ganze Spaltung meist nur auf der Verschiedenheit der Meinungen über das persönliche Verdienst der Kandidaten beruhte. Zwar hatte sich ein Rest der Föderalisten-Partei zu Adams Gunsten geregt, während die herrschende Meinung zwischen seinen drei Mitbewerbern getheilt war; doch übten im allgemeinen reine Lokal-Verhältnisse den größten Einfluß auf die Wahlen. Der ganze Osten stimmte für Adams, während der Westen zwischen Jackson und Clay getheilt war. Georgien war für Crawford. Der Gang der Sache war folgender.

Sie müssen wissen, daß die Art der Wahl in den verschiedenen Staaten verschieden ist. Zwar sendet jeder Staat eine, der Anzahl seiner Abgeordneten zum Kongresse gleiche Zahl von Wählern, die nach Köpfen stimmen. Aber in einigen Staaten ernennt das Volk alle seine Wähler zusammen, was man election by general ticket nennt; in andern ist das Volk in Distrikte getheilt, wovon jeder einen Wähler ernennt (election by district); in noch andern werden die Wähler von der gesetzgebenden Gewalt ernannt. Wenn keiner der Kandidaten für sich allein mehr als die Hälfte der Stimmen erhält, so fällt die Wahl der Kammer der Abgeordneten anheim, die unter den drei Kandidaten, welche die meisten Stimmen haben, einen zu wählen hat, indem sie nach Staaten stimmt.

Die Wahl war auf vier Bewerber gerichtet, die alle Männer von vielem Talent waren, deren Verdienst aber verschieden geschätzt wurde, indem die Einen sie bis in den Himmel erhoben, die Andern aber sie eben so tief herabsetzten.

Diese Kandidaten waren: John Quincy Adams aus Massachusets, Sohn des alten Präsidenten Adams. Er hat den größten Theil seines Lebens in öffentlichen Aemtern zugebracht, aber immer außerhalb der Vereinigten Staaten. Früher war er Professor der schönen Wissenschaften, und ist ein vollkommener Literat. Er gehörte immer zur Partei der Föderalisten bis auf die neuesten Zeiten, wo er sich auf das eifrigste gegen dieselbe erklärte. Er zeichnet sich aus durch eleganten Styl und diplomatische Manieren, und gehört zur Schule derer, welche glauben, daß man das Volk betrügen müsse, um es zu beherrschen. Zur Zeit der Wahl war er Staats-Sekretär.

Andrew Jackson aus Tennessee. Erzogen für den Stand eines Advokaten, in dem er sich auszeichnete, wurde er im Anfange des letzten Krieges an die Spitze einiger Milizen gestellt, und entwickelte im Kampf gegen die Indianer große militärische Talente. Als General der Armee erfocht er den berühmten Sieg bei Neu-Orleans, und rettete nicht minder durch seine administrativen, als seine militärischen Talente den ganzen Westen von einer Invasion. Er war immer Demokrat. Er zeichnet sich aus durch streng republikanische Gesinnungen, durch Entschlossenheit, Klarheit der Ansichten und durch eine über jeden Argwohn erhabene Redlichkeit. Zur Zeit der Wahl war er Senator beim Kongreß für die Provinz Tennessee.

W. H. Crawford aus Georgien, immer demokratisch gesinnt. Er war Gesandter in Frankreich. Das einzige, wodurch er sich auszeichnet, ist ein unruhiger Sinn, Neigung zu Intriguen und Bestechlichkeit. Man behauptet, daß er sich zu seinem Privat-Vortheil des Einflusses bediente, den ihm das Sekretariat der Schatzkammer gab, welches er zur Zeit der Wahl verwaltete.

Henry Clay aus Kentucky. Seine Laufbahn war die legislative. Er zeichnet sich durch Beredsamkeit, Gewandtheit, Geschicklichkeit als Advokat und persönliche Liebenswürdigkeit aus. Er war Präsident (speaker) der Kammer der Abgeordneten, und übte einen bedeutenden Einfluß in diesem Amte.

Nur wenige Stimmen fehlten zur Vollgültigkeit der Wahl Jackson’s. Ihm folgte Adams mit einer bedeutenden Minderzahl, und diesem stand Crawford sehr nahe. Die Kammer hatte daher unter diesen drei Bewerbern zu wählen. Ihr Einfluß in der Kammer, in der nach Staaten gestimmt wird, war ungefähr gleich: die Wahl hing daher von dem Entschluß der Freunde Clay’s ab. Diese stimmten für Adams. Die öffentliche Meinung sprach sich offen gegen diese Wahl aus, als eine dem Willen des Volkes zuwiderlaufende Maßregel: denn Jackson hatte entschieden eine beträchtliche Mehrheit gegen jeden seiner Mitbewerber. Die Nation glaubte, daß ihr Wille ihren Repräsentanten Gesetz hätte seyn sollen. Die Unzufriedenheit vermehrte sich, als Adams gleich im Beginn seiner Verwaltung Clay zum Sekretär ernannte. Von einem Ende der Vereinigten Staaten zum andern sprach man von Schändlichkeit, Bestechlichkeit, Feilheit u. s. w. Diese Gerüchte mögen übertrieben seyn, aber die Beweise eines gehässigen Handels scheinen mir zu klar, als daß man ihnen widersprechen könnte.

Was würde in Europa das Resultat einer solchen Wahl gewesen seyn, bei welcher der Wille des Volks durch schamlose Ränke umgangen ward? Ein Bürgerkrieg wäre vielleicht die Folge davon gewesen, und es hätte eine zeitlang zwei Präsidenten gegeben (??). Hier fiel nichts ähnliches vor. Jeder unterwarf sich friedlich dem Gesetze, mit dem Vorsatze, bei der nächsten Wahl besser auf seiner Hut zu seyn. Obgleich die Kammer ohne Zweifel einen Fehltritt begangen hat, der kaum zu entschuldigen ist, so muß doch dieß Beispiel gesetzlicher Unterwerfung den wohlthätigsten Einfluß auf die Zukunft üben: und nie bot Amerika ein erhabeneres Schauspiel dar, als indem seine Söhne sich schweigend unter ein Joch beugten, dessen äußere Rechtmäßigkeit sie anerkannt hatten.

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_202.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)