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Das Ausland. 1,2.1828

Gläubigen nicht, wie die Lazzaroni den heiligen Januarius, wenn dieser mit dem Wunder des fließenden Blutes zögern will. …


Lissabon, 26 Mai 1822.

Vor einiger Zeit unterhielt ich mich mit General Sepulveda über Marschall Beresford. Er erkannte seine Verdienste an, die portugiesische Armee disciplinirt und zum Kriege gebildet zu haben. „Vor Marschall Beresford,“ sagte er, „war der Stand des Militairs der verachtetste in Portugal. Die Großen des Hofs fanden ihr Vergnügen darin, ihren Domestiken Lieutenants- und Capitainsgrade ertheilen zu lassen. Beresford hat die Offiziere dieser Schmach entrissen. Das Ehrgefühl und die Disciplin der jetzigen portugiesischen Truppen ist sein Werk. Deßwegen wurden auch, als er nach England zurückkehrte, seine militärischen Reglements in nichts geändert. Beresford war ein Despot, aber unbestechlich. Er hatte nicht Seelengröße genug, den tapfern General Gomez Freire und zwölf andere portugiesische Offiziere, welche 1817 gegen seine Person sich verschworen, vom Tode zu retten; aber daß er uns eine militärische Existenz gab, gibt ihm auch stets ein Recht auf unsere Achtung und unsern Dank.“

(Wenn die bis Mai 1822 reichenden Briefe des Grafen Pecchio, aus denen wir die bisherigen Auszüge genommen, wenigstens den Reiz einer lebendigen Darstellung haben, so ermangeln dagegen die in obigem Werke nun folgenden Briefe, angeblich eines frühern portugiesischen Staatsbeamten, alles eigenthümlichen Werthes, und scheinen blos trockene Compilationen aus den Pariser liberalen Blättern. Der angehängte Ueberblick über Portugals Lage in militärischer Hinsicht, von dem für die Geschichte der letzten Kriege so verdienstvollen General Pelet, hat zunächst nur für den Fall eines Angriffs Portugals von außen, Interesse.)



Ueber die Unausführbarkeit des von einigen Mechanikern gemachten Vorschlages, mit Dampfwagen auf gewöhnlichen Straßen zu fahren.


(Fortsetzung.)

Eben so ungleich ist die Beschaffenheit und Güte der Straßenbedeckung, welche, auch bei der sorgfältigsten Unterhaltung und strengsten Aufsicht, unendlichen, nicht zu berechnenden, und nach Ort und Zeit immer wechselnden Abänderungen unterliegen muß. Wenn diese Bedeckung an einer Stelle in dem möglichst vollkommensten Zustande und und so eben, hart und glatt ist, daß die Wagen, wie auf einer Tenne, mit der größten Leichtigkeit darüber weg rollen, so trifft man bald auf eine andere, rauhe, holperige, ausgefahrene, mit tiefen Geleisen durchschnittene, oder frisch beschüttete Stelle, durch welche das Fuhrwerk nur langsam, und mit der äußersten Anstrengung fortgeschleppt werden kann. Aber selbst die besten Strecken, welche bei schöner und trockener Witterung am leichtesten zu befahren sind, werden durch starken und anhaltenden Regen in wenigen Tagen oft so verdorben, daß fast nicht mehr darauf fortzukommen ist.

Da also auf diese Art bei jedem auf gewöhnlichen Landstraßen gehenden Fuhrwerke der Widerstand nicht nur von Tag zu Tag, sondern von einem Augenblick zum andern sich verändert, so muß nothwendigerweise auch die bewegende Kraft in demselben Verhältnisse sich verändern. Dieser Forderung entsprechen nun die Pferde bis auf einen gewissen Grad gut genug dadurch, daß sie selbst, nach ihrem eigenen Gefühle des Widerstandes, ihre Kräfte von Zeit zu Zeit mehr oder weniger anstrengen, oder dazu durch die Peitschenhiebe des Kutschers genöthigt werden, da sie bekanntlich für einige Augenblicke eine fünf bis sechs mal größere Kraft auszuüben vermögen, als diejenige ist, mit welcher sie anhaltend ein paar Stunden arbeiten können. – Wie soll aber die Wirkung einer Dampf-Maschine, deren Kraft unveränderlich und beständig ist, oder nur allmählich und langsam durch stärkeres Heizen gesteigert, oder durch Ablassen des Dampfes vermindert werden kann, allen jenen unendlich verschiedenen und von Augenblick zu Augenblick wechselnden Nuancen des Widerstandes so genau angepaßt werden, daß nicht das Fuhrwerk bald mit einer viel zu großen und gefährlichen Schnelligkeit fort laufen, bald ganz still stehen möge?[1] – Es läßt sich wohl die Möglichkeit einer besondern Vorrichtung denken, mittelst welcher, bei unverändertem mechnischen Momente, das statische Moment der Kraft nach Willkühr modifizirt werden könnte, so daß z. B. durch dieselbe Kraft dieselbe Last mit verminderter Geschwindigkeit bergan, oder über einen rauhen und schweren Grund bewegt würde, welche mit größerer Geschwindigkeit auf der Ebene, oder auf einer glatten und festen Strecke fortgebracht wird. Allein die Ausführung eines solchen Mechanismus würde an einem Fuhrwerke dieser Art viel zu complizirt und zerbrechlich, und die beständige Regulirung desselben für den auf dem Wagen sitzenden leitenden Maschinisten äußerst beschwerlich, ermüdend und unsicher seyn.

Aus diesen Betrachtungen geht, wie ich denke, unbestreitbar hervor, daß, wenn die vorgeschlagenen Dampfwagen, von was immer für einer Bauart, nicht blos (wie bisher geschehen) in einem Hofraume, in einem Park, oder auf kurzen, mit der größten Sorgfalt geebneten harten und glatten Strecken, als eine neue Art von Spielwerk, zur Unterhaltung und Täuschung einer neugierigen Menge, produzirt, sondern zu wirklichen Reisen auf jede Entfernung gebraucht werden sollten, man vor allen Dingen damit anfangen müßte, alle Landstraßen ganz neu zu bauen, denselben durchaus eine horizontale oder nur unmerklich geneigte Lage zu geben, folglich alle Berge zu ebnen, alle Anhöhen abzugraben oder zu durchschneiden, alle Thäler und Vertiefungen durch Dämme aufzufüllen, und zugleich die Bedeckung dieser Straßen überall in einen so vollkommenen Zustand zu setzen, und darin beständig zu erhalten, wie die ausschließlich zum Spazierfahren im hiesigen englischen Garten, oder in dem Regents-Park zu London bestimmten Wege sind, auf welche letztere Herr Gurney bis jetzt ganz allein seine Versuche beschränkt zu haben scheint.[2]

  1. Eine solche Maschine müßte von einer Minute zur andern bald mit einer Kraft von 4 Pferden, bald von 8, bald von 24 Pferden arbeiten können.
  2. Nach einem in dem Journal The Times vom 16. Januar dieses Jahres enthaltenen Berichte ward die Dampfkutsche den Tag vorher im Regents-Park versucht, wo sie mit einer Geschwindigkeit von 13½ englischen Meilen (gegen 4 deutsche Meilen) in einer Stunde herum lief. Da man aber beim Wenden über etwas rauhe Stellen bedeutende Schwierigkeiten gefunden hatte, so ward von einem andern Ingenieur, Herrn Williams, eine Abänderung an dem hiezu bestimmten Mechanismus vorgeschlagen, welche auch sogleich ausgeführt ward, und mit welcher der Versuch am 17. Nachmittags wiederholt werden sollte.
    a) s. Schluß-Anm. i. f. Bl.[i.e. Die Times enthält keine weitere Nachricht von Probefahrten des Dampfwagens]
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_181.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)