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Das Ausland. 1,2.1828

zu folgen, während in den Mienen aller Zuhörer das freundliche Lächeln der Befriedigung und der Achtung lag. Ich konnte nicht länger meine Neugierde zurückhalten, und fragte um den Namen dieses Deputirten. Dieß ist, antwortete man mir, Thomas Fernandez, der Vater unserer Revolution. Er war es, der den Entwurf dazu machte, ihn seinen Freunden mittheilte, und sich mit diesen vereinigte, um ihn auszuführen. Er ist einer von unsern ersten Rechtsgelehrten. Unter der absoluten Herrschaft war er unbeugsam, und blieb bescheiden beim Triumphe der Revolution; ein Mann, unbescholten in seinen Sitten, streng in seinem Leben, mit Einem Worte unser Cato. Sein ganzes Leben war dem Vaterland geweiht. Er verachtet die Gunst des Hofes, und bewirbt sich nicht um die des Volks. Durch die ununterbrochene Geistesthätigkeit und die angestrengtesten Studien wurde seine Gesundheit geschwächt, und stets sind die oft wiederkehrenden Tage seines Krankseyns, Tage der Trauer für das Volk von Lissabon, dessen Abgott er ist.

Nach Fernandez erhob sich ein anderer Deputirter, höher von Gestalt, langsam in seinem Vortrag, aber hinreißend in seinen Gedanken: Borges Carneiro. Kein Redner weiß schneller als er, den Enthusiasmus seines ganzen Auditoriums zu erwecken. Seine Motionen sind stets kühn, und schmeicheln den Volksleidenschaften.

Der Dritte der das Wort nahm, war, wie es schien, ein Geistlicher, im Priesterornat, klein, mit kahlem Haupte und schwacher Stimme. Die Verhandlung betraf ein Militär-Reglement. Ich fragte meinen Nachbar ob dieser Priester ein Tempelherr sey, weil er sich in militairische Angelegenheiten mische. „Nein“, antwortete jener lächelnd, „es ist Castello Branco, Professor an der Universität Coimbra, einer unsrer größten Gelehrten. Vor der Revolution war er Mitglied der Inquisition; nun aber leiht er seine umfassende Beredsamkeit der Vertheidigung der Freiheit.“ „Spricht denn“, fragte ich weiter, „die servile Partei nie?“ „Nie,“ war die Antwort, „sie ist stumm, aber nicht taub.“

Ungeachtet der Versammlungssaal der Cortes gegen eine Stunde von der Neustadt entfernt ist, so waren doch die dem Publikum eingeräumten Galerien gedrängt voll. Meist soll hier die vollkommenste Ordnung und Ruhe herrschen. Heute aber, als Andrada, Deputirter von Brasilien, sich erhob, um des Volkes Liebling, Borges Carneiro, anzugreifen, begann es unruhig zu werden. Da rief ihm jener zu: „Ich verlange, daß ihr in den Grenzen der Achtung bleibt. Bei den Wahlen seyd ihr Könige, Unterthanen aber im Umkreise dieser Mauern.“

Noch muß ich Ihnen eine Anekdote erzählen, welche beweist wie sehr die portugiesischen Deputirten ihre Würde fühlen. Vor der Revolution war der König gewöhnt, allen die sich ihm vorstellten die Hand zum Kusse zu reichen. Als er nun zum erstenmal in der Cortessitzung erschien, bot Se. Majestät dem ersten der sich ihm nahte die Hand entgegen. Dieser schien zu glauben, der König wünsche unterstützt zu werden, nahm die Hand, legte sie auf seine Schulter, und stieg mit ihm die Stufen der Gallerie hinauf.

(Schluß folgt.)


Die neue Universität in London.


(Fortsetzung.)

Der zweite Paragraph handelt von den verschiedenen Zweigen der Wissenschaften, die auf der Universität London gelehrt werden sollen.

Es können dieselben, wird gesagt, unter drei Hauptabtheilungen befaßt und geordnet werden. Zu der ersten gehören alle diejenigen Gegenstände, welche wesentliche Erfordernisse einer freien wissenschaftlichen Bildung überhaupt sind, als: lateinische und griechische Sprache, Literatur und Alterthümer; französische und englische Sprache und Literatur: Elementar- und höhere Mathematik; Naturlehre und Astronomie; Logik und Kritik des menschlichen Verstandes (Th. of the human Mind); Moral und praktische (political) Philosophie; alte und neue Geschichte: Staatswissenschaft; Chemie. – Die zweite Hauptabtheilung, welcher, nach dem Ausdrucke des Statement diejenigen Gegenstände angehören, die mehr in dem Lichte einer schmuckreichen Ausbildung (ornamental accomplishment) betrachtet werden können, begreift in sich: die italienische, spanische, deutsche, nordische und orientalische Literatur, und von letzterer insbesondere die indische, persische und hebräische. Ferner: Geologie und Mineralogie, Botanik, Zoologie. – Zur dritten Abtheilung endlich gehören die Brodstudien: Jurisprudenz und Medizin. Der Statement klassifizirt die zum Bereiche der Erstern gehörigen Fächer, wie folgt: allgemeine Rechtslehre (Jurisprudence), das Völkerrecht mit eingeschlossen,: englisches Recht; römisches Recht. Und als einzelne Gegenstände der Arzneiwissenschaft werden angeführt: Anatomie und Physiologie; pathologische und vergleichende Anatomie; Wundarzneikunde; Natur und Behandlung von Krankheiten; Geburtshülfe, nebst weiblichen und Kinder-Krankheiten; Materia medica und Pharmacie; Chemie; Botanik und Physiologie der Pflanzen; gerichtliche Arzneikunde. Da ein Spital, wie bemerkt wird, mit der Universität in Verbindung steht, so werden dadurch klinische Vorlesungen und Praxis sehr erleichtert werden. – Außer den Lehrstühlen für die unter diesen drei Hauptabtheilungen begriffenen Zweige der Wissenschaften, werden deren noch andere für die Ingenieurkunst und die Anwendung der mechanischen Wissenschaften und der Chemie auf die Künste errichtet werden.

Im Verfolg dieses §. werden die Gründe entwickelt, weshalb man auf die Errichtung einer theologischen Fakultät bei der Universität London verzichten zu müssen geglaubt hat. – Die Universitäten Oxford und Cambridge, heißt es in dieser Beziehung, gewähren hinreichende Gelegenheit zur Ausbildung der Geistlichkeit der anglikanischen Kirche. Da aber die Universität London, ihrem Prinzipe nach, Individuen jedweder Konfession oder religiösen Secte zugänglich seyn soll, So war es offenbar unmöglich, einen Lehrkursus für den berufsmäßigen Unterricht der Religionsdiener aller derjenigen Gemeinden einzurichten, die nicht zur anglikanischen Kirche gehören. Eben so wäre es großen Einwendungen ausgesetzt gewesen, auch nur einige theologische Vorlesungen für den Unterricht der nicht gerade dem Kirchendienste sich widmenden Studenten verschiedenen religiösen

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_176.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)