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Das Ausland. 1,2.1828

der Armee und aller im Dienste stehenden Personen. Zu diesem Ministerium gehören vierzehn szü oder Expeditionen, welche nach den Provinzen, deren Angelegenheiten sie besorgen, benannt werden. Alle Geschäfte, welche die Erhebung von Steuern oder der Abgaben von den Ländereien betreffen, sind unter diese vierzehn Expeditionen vertheilt.

3) Das Li pu oder das Ministerium der Gebräuche. Von demselben hängt das Ceremonienwesen, so wie die Abfertigung und Annahme von Gesandtschaften ab. Bei dem ängstlichen Förmlichkeitsgeiste der Chinesen muß dieses Ministerium natürlich eine weit größere Wichtigkeit haben, als es uns Europäern scheint; da aber seine Beschäftigungen für uns von geringem Interesse sind, so glaube ich sie übergehen zu können.

4) Das Kriegscollegium, Ping pu genannt.

5) Hing pu, das Justizcollegium, oder Ober-Reichsgericht.

6) Kung pu, die Generaldirection der öffentlichen Arbeiten. Es hat dieselbe alle Bauten, Wege, Canäle, Brücken u. s. w. unter sich.

Diese Ministerien stehen unter keinem Minister, sondern jedes unter einem Präsidenten und Vicepräsidenten, von denen der erstere jedesmal ein Mandshu, der andere aber ein Chinese ist. Jedem pu ist noch eine besonderer kho, oder eine Fiscalcanzelei beigeben.

Das Li fan yuan hat die äußeren Provinzen des Reiches unter sich, nämlich die Mongolei, Tübet, die kleine Bucharei und das Land der Dsungar; es unterhält auch die Verbindungen mit den in Westen und Norden des chinesischen Reichs gelegenen auswärtigen Staaten, wie z. B. mit Rußland, und besorgt, in Gemeinschaft mit dem Ministerium der Gebräuche, den Empfang ihrer Gesandtschaften.

Das Tu tschha yuan, oder das Collegium der Reichscensoren, die das Recht und die Pflicht haben, dem Kaiser über Mißgriffe in der Regierung Vorstellungen zu machen, ihn von den in den Provinzen statthabenden Unordnungen in der Administration zu unterrichten, und die überhaupt die General-Controlle über die ganze Staatsverwaltung führen. Man könnte dieses Collegium daher das der öffentlichen Anklage nennen. Sowohl in den fünf Abtheilungen der Residenzstadt Peking, als auch in jeder Provinz befindet sich ein Mitglied des Tu tschah yuan, das strafbar seyn würde, wenn es dem Kaiser die dort obwaltenden Mißbräuche verheimlichte.

Alle im Vorstehenden aufgezählten Dicasterien bilden die obere Reichsverwaltung von China, dessen Verfassung also keinesweg, wie man gewöhnlich glaubt, eine unumschränkte Despotie ist. Die Gesetze gehen nicht einmal vom Monarchen aus, sondern werden von den obersten Staatsbehörden entworfen, discutirt, und ihm nur zur Bestätigung vorgelegt, bei der er freilich ein entscheidendes Veto hat, das aber nur durch Beistimmung jener Behörden ein jubeo werden kann.

(Schluß folgt.)


Zwei Jahre in Konstantinopel und in Morea.


(Fortsetzung.)
Charakterzüge der Türken. Sultan Mahmud.

Nachdem unser Reisender die Fehler und Laster der Türken mit starken Zügen geschildert hat, läßt er auch ihren guten Eigenschaften Gerechtigkeit widerfahren. Eine ihrer schönsten Tugenden ist ihr Festhalten an Treu und Glauben. Betrüger, Diebe und Gauner sind äußerst selten. Man kann ohne Gefahr seine Uhr, seine Börse in einem Cafe oder an jedem andern öffentlichen Orte liegen lassen, und gewiß seyn, daß, wenn man einen oder ein paar Tage darauf wieder zurückkehrt, man das verloren geglaubte mit der gewissenhaftesten Treue zurückerstattet erhält.

Eines Abends ward ein Franke von einigen Soldaten, welche die Ronde machten, in einer abgelegenen Straße angetroffen. Ihr wißt, sagte ihm der Chef der Patrouille, daß Nachts kein Franke ohne Laterne ausgehen soll; ihr seyd daher arretirt und wandert ins Gefängniß. Da der Franke etwas erwiedern will, antwortet der Türke: Gebt mir eure Börse, so erhaltet ihr die Freiheit. Der Franke gehorcht, indem er lieber hundert Piaster bezahlt, ehe er sich ins Gefängniß schleppen läßt. Wie groß aber war sein Erstaunen, als er etwa sechs Monate später dem nämlichen Türken auf der Straße begegnete, der ihm mit den Worten auf die Schulter klopft: „Mein Freund, erinnert ihr Euch meiner und der hundert Piaster, die ich Euch eines Abends abnahm? Ich war damals in Geldnoth. Hier nehmt Eure hundert Piaster zurück. Seit langer Zeit suchte ich Euch vergebens, um sie Euch zurückzustellen.“

Eine weitere Tugend der Türken ist ihre Gastfreundlichkeit und Wohlthätigkeit, die ihnen im Koran vorzüglich zur Pflicht gemacht ist. Dabei muß man ihnen zugestehen, daß während sie vielleicht mit noch größerem Eifer und innigerer Aufrichtigkeit handeln, sie mit der Ausübung ihrer guten Werke viel weniger Ostentation verknüpfen, als in der Regel unsere Wohlthätigkeitsanstalten zu thun pflegen. In ihrer Mildthätigkeit spricht sich so ungeschmückte Einfachheit und Natürlichkeit aus, daß sie mehr eine Folge der Neigung als der Pflicht zu seyn scheint.

Als Beispiel des edlen Gerechtigkeitssinnes, der sich nicht selten bei Muselmännern findet, führt der Reisende eine etwas ältere aber wenig bekannte Anekdote an. Der Sohn eines Großveziers ward von leidenschaftlicher Liebe für eine junge schöne, erst kurz vorher verheirathete Armenierin hingerissen; mehrere Versuche sie zu verführen, waren fruchtlos, und der gereizte Gatte, um allen ferneren Anschlägen auf die Ehre seines Hauses vorzubeugen, stieß ihn, unter Mitwissen seiner Frau, nieder. Der Leichnam ward aufs sorgfältigste verborgen, ohne daß irgend ein Verdacht auf die Thäter gefallen wäre. Die junge Armenierin war, gleich einem großen Theile ihrer in Konstantinopel lebenden Landsleute, von katholischer Religion. Von Gewissensbissen getrieben, beichtete sie ihr Verbrechen einem

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_145.jpg&oldid=- (Version vom 28.4.2023)