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Das Ausland. 1,2.1828


Gegenden, die von der Mündung des St. Lorenzo eine Tagreise entfernt sind. Diese Indianer, obwohl von sehr friedlichem Charakter, sind die kühnsten aller Völkerschaften von Matto grosso. Sie suchen die Bären im Walde auf, und bekämpfen sie mit Bogen und Pfeil, und einer langen hölzernen Lanze, ohne eiserne Spitze. Sie sind so vortreffliche Schützen, daß sie den Fisch im Wasser, und den Vogel im schnellsten Fluge erlegen.

Gehet ein Guatò auf den Fischfang oder auf die Jagd, so begleitet ihn seine Familie, und sein Weib regiert das Canot mit einem leichten Ruder. Der ganze Körper des Indianers ist von Mosquitos bedeckt, die sein Blut saugen, und die er kaum zu bemerken scheint; nur von Zeit zu Zeit nimmt er sein Matapa, ein Stück Zeug, das mit zwei Zipfeln an einem Stabe hängt, und verjagt damit die gierigen Insecten. Hört er das Geheul des schwarzen Affen (Guaribà), so landet er, nimmt zwei Pfeile mit sich, und begibt sich in den Wald, und selten entgeht ihm seine Beute. Die Guatòs lieben die Haut dieser Affen sehr, brauchen sie als Pelzwerk, und vertauschen sie, so wie die Bärenfelle, an die Reisenden, welche durch ihr Land kommen. In ihre Hütte zurückgekehrt, setzen sich diese Indianer um ein Feuer und beschäftigen sich, die Mosquitos zu verscheuchen, welche sie nöthigen unter einem Netze zu schlafen. So mäßig die Guatòs sind, so begleiten sie doch die Reisenden gerne, um von ihrer Küche Gebrauch machen zu können. – Sie sind sehr eifersüchtig auf ihre Frauen, deren sie so viele nehmen können als ihnen beliebt, oder als sie zu ernähren vermögen.

Der Charakter der Guanàs ist gerade das Gegentheil von dem der Guatòs. Furchtsam, und den Ueberfällen ihrer Nachbaren ausgesetzt, haben sie sich unter den Schutz der Portugiesen begeben, und sich deren Niederlassungen genähert; so daß sie jetzt fast alle in der Nähe der Festung Coimbra wohnen. Sie kommen auch häufig nach der Stadt Cuyaba, wohin sie ihre Waaren und Producte bringen. Wenn sie dort anlangen, so schlagen sie am Landungsplatze Hütten auf, und verkaufen das Holz davon bei ihrer Abreise.

Auf meinen Ausflügen beschäftigte ich mich hauptsächlich mit der Menschenkunde. Ich besitze bereits eine schöne Sammlung Abbildungen von Menschen aus verschiedenen Völkerschaften, und ich hoffe, dieselbe noch bedeutend zu vermehren.

Der Botaniker und der Maler der Expedition werden von hieraus nach Matto grosso gehen, und sich auf dem Guapon und Madeira einschiffen, um in den Amazonenfluß zu kommen. Ich selbst begebe mich in den District von Diamantino, um die Quellen des Paraguay aufzusuchen und zu bestimmen. Von dort aus werde ich mich auf dem Pretò oder schwarzen Flusse einschiffen, seinem Lauf folgen, und dann auf dem Arines und Topagos nach der Festung Santarem gehen, die am Amazonen-Strome liegt. Diesen schiffe ich dann aufwärts bis zum Rio Negro, wo ich meine Reisegefährten wieder zu finden hoffe. Vielleicht entschließe ich mich, bis zu den Quellen des Rio Negro vorzudringen, die von denen des Orinoco nicht gar zu weit entfernt sind.

Vorher aber, und zwar in einigen Wochen, gedenke ich eine kleine Nebenreise anzutreten, nehmlich den St. Lorenzo bis zu seinen Quellen hinauf, um zu sehen, ob es nicht möglich ist, von dort aus zu den Quellen des Sucurice zu gelangen, und auf diese Art einen leichten und kürzeren Weg nach der Provinz St. Paul zu eröffnen, was für Brasilien von der größten Wichtigkeit seyn würde.




Deutsche Sprache in Nordamerika.
(Schluß.)

Ob die angeführten kirchlichen Bemühungen allein auf die Dauer hinreichend seyn werden, dem Untergang der Sprache, der letzten lebendigen Erinnerung an das vormalige Vaterland, vorzubeugen, ist sehr zweifelhaft. Jede Landessprache entartet auf den Grenzen, wo man in häufige Berührungen mit andersredenden Nachbarvölkern kommt; in Kolonien, namentlich in amerikanischen, wo Ableger aus ganz Europa ohne Grenzscheidung friedlich neben einander und unter einerlei Gesetz wohnen, ist diese Entartung noch weniger zu vermeiden: es bildet sich nach den Lokalitäten bald ein activer, bald ein passiver Sprachtauschhandel; daraus werden neue Mundarten, und zuletzt neue Sprachen. Die Concurrenz wird für eine Sprache um so nachtheiliger, je ärmer sie ist, oder je bildungs- und begriffsärmer die sind, welche sie sprechen. Die deutschen Einwanderer waren nicht im Vollbesitz ihrer so reichen Mutter-Sprache; jeder brachte die Mundart seines Dorfs, seines Städtchens mit, so rein und so gut er sie eben hatte; von deutschen Büchern wanderten außer Bibel und Gesangbuch nur wenige über den atlantischen Ocean. Wenn schon die Engländer das Englische der doch weit gebildeteren Yankee’s wegen einer Menge Provincialismen lächerlich machen, soll man glauben, daß die Deutschen dort besser verstanden hätten, die Reinheit ihrer Sprache zu erhalten, welche sie nie besaßen? Gelangte eine deutsche Familie, die nicht geradezu zu den unbeugsamen Sektirern gehörte, welch am Alten hängen, zu einigem Wohlstand, so gaben die Eltern, in Ermangelung einer deutschen Erziehung, die sie selbst in ihrer Jugend nur sparsam empfangen hatten, und wozu ihnen Amerika jetzt ebenso wenig Gelegenheit darbot, ihren Kindern lieber englische Bildung, und entfremdeten sie dadurch ihren rohern Landsleuten. So fruchtbar die Bemühungen einiger gebildeten Deutschen, die in der neuesten Zeit eingewandert sind, in Bezug auf die Ausbreitung der deutschen Literatur in Amerika für die Zukunft seyn mögen, so dürften doch die präsumtiven Wirkungen auf eine deutsche Bevölkerung, die über den unermeßlichen Continent zerstreut ist, nur langsam und nur theilweise sichtbar werden, und mehr den schon gebildeten, sowohl englischen als deutschen Amerikanern als wissenschaftlicher Gewinn


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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_140.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)