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Das Ausland. 1,2.1828

mit dem König eine Cigarre geraucht und sogar ein Dutzend derselben von ihm zum Geschenke erhalten; eine Stunde darauf befand er sich auf dem Wege in das Staatsgefängniß von Segovia.

Außerdem, daß die Camarilla, deren Wirksamkeit durch die Constitution sehr enge Grenzen gesetzt war, den König beständig in feindseliger Spannung gegen dieselbe erhielt, bediente sie sich selbst der Civilliste, welche der Hof ihr überließ, so wie der Summen, welche ihr aus Frankreich zugesandt wurden, um Unruhen in den Provinzen zu erregen. Der spanische Bauer, welcher, wie überall der Landmann, vor Allem seine Ruhe liebt, unbekümmert ob der König absolut oder constitutionell heißt, ließ sich jedoch durch diese Reizungen zu keinen Uebereilungen verleiten, zumal da er zum Theil (besonders im südlichen Spanien, wo er Geld genug besaß, um den Verkauf der Klostergüter benutzen zu können) von der neuen Verwaltung bereits wesentlich Vortheile zu ziehen begann.

Die Camarilla nahm ihre Zuflucht zu den Priestern, die mit Unwillen der Schmälerung ihrer fürstlichen Revenüen und der Vernichtung ihres weltlichen Einflusses entgegensahen, und setzte durch ihre Hülfe den Himmel und die Religion in Bewegung, um die Ordnung des Staats umzustürzen. Schnell vergrößerte der Fanatismus die Reihen der Unzufriedenenen, und jetzt bildeten sich die Banden unter den Befehlen des Trapisten Antonio Maragnon, nach einander Soldat, Contrebandier, Straßenräuber und Mönch, und wieder Soldat und wieder Mönch, und, so wie die ersten Glaubensbanden erschienen, aufs Neue aus dem Kloster entwichen:[1] unter George Bessieres, einem gebornen Franzosen, wegen Betrügereien aus der Armee gejagt, darauf in spanischen Diensten einer republikanischen Verschwörung wegen zum Tode verurtheilt, und nur durch die Verwendung der konstitutionellen Behörden begnadigt, hierauf aber auf einmal in den Reihen der Glaubensarmee erscheinend; ferner unter dem Pfarrer Merino, schon während des Unabhängigkeitskrieges als Guerillero in Altkastilien berühmt, und nach dem Frieden von 1814 mit dem Grade eines Brigadiers und dem Genuß einer reichen geistlichen Pfründe entlassen; – endlich unter der Guerillasanführern Carnicer, Loche und anderen unbedeutenderen Chefs. Der Name dieser Anführer allein verbreitete Schrecken in allen Gemeinden, denen sie sich näherten; auch nahm die Landbevölkerung den eifrigsten Theil an den kräftigen Maßregeln, welche die konstitutionelle Regierung ergriff, um Spanien von diesem Raubgesindel zu befreien.

Derselbe Pöbel der Hauptstadt, welcher 1823 die Franzosen bei ihrem Einzuge mit dem lautesten Enthusiasmus empfing, wollte wenige Tage zuvor einhundert Mann von der Bande des Bessieres, welche die Milizen einer kleinen Stadt zu Gefangenen gemacht hatten, in Stücken zerreißen. Und die Nationalmilizen, welche seitdem mit so großer Erbitterung verfolgt worden sind, standen damals drei Tage unter den Waffen, um zu verhindern, daß die Gefängnisse nicht von der wüthenden Masse aufgesprengt würden.

Die Insurgenten, auf allen Punkten geschlagen und bis zu den äußersten Grenzen verfolgt, flohen nach Frankreich, wo sie als Helden aufgenommen wurden, weil sie einen Vorwand darboten, den man lange gesucht hatte, in Spanien das constitutionelle System umzustürzen. Wahrscheinlich wollte die das französische Ministerium beherrschende Parthei durch den Angriff auf die Constitution von Spanien sich nur auf das ernstere Unternehmen vorbereiten, auch in Frankreich den Zustand vor der Revolution wieder herzustellen.

Die Männer, welche in Spanien damals an der Spitze der öffentlichen Angelegenheiten standen, waren unfähig, weit in die Zukunft vorauszusehen. Auf der einen Seite setzten sie, in der Ueberzeugung von der Zustimmung der Mehrheit der Nation den Ränken der Camarilla, die ihnen nicht unbekannt waren, keine durchgreifenden Maßregeln entgegen; auf der andern begingen sie den doppelten Fehler, einmal die Rüstungen von Frankreich für leere Drohungen zu halten, und dann, selbst in dem Falle, wenn sie wirklich zu Feindseligkeiten führten, vorauszusehen, daß die Dazwischenkunft einer Macht, die selbst von einem constitutionellen System regiert wurde, unmöglich die Wiederherstellung der absoluten Gewalt zur Folge haben könnte. Bereits im Anfang der Sitzung von 1822 trennte sich daher die Partei, die man Quillero nannte und die sich in gewisser Beziehung mit den französischen Feuillan’s vom Jahre 1791 vergleichen läßt, von der eigentlich revolutionären Partei, die dadurch zwar in den Besitz der Zügel der Regierung, aber nicht der Talente und des Einflusses kam, welcher den sogenannten Gemäßigten zu Gebot stand. War aber jener Mißgriff, der von denjenigen, die ihn begingen, am schwersten gebüßt worden ist, nicht zu entschuldigen? Schien es nicht, als wenn im Anfange des Zuges die Spanier sich Glück zu wünschen hätten über den schwachen Widerstand, welchen die französischen Waffen fanden? Mußten nicht die Proclamationen des Herzogs von Angouleme alle Besorgnisse beruhigen? Und standen nicht alle Schritte der Militärgewalt mit diesen Proclamationen im vollkommensten Einklang? Unmöglich konnte man voraussehen, daß das französische Ministerium nicht wagen würde, das denkwürdige Decret von Andujar in Kraft zu erhalten; daß Capitulationen, die unter der Garantie des Thronerben von Frankreich und einer französischen Armee von 100,000 Mann geschlossen waren, gebrochen werden würden, ohne daß eine einzige Reclamation gegen diese schmachvolle Verletzung feierlich eingegangener Verträge sich erhoben hätte: daß 50,000 Mann, die nach der vollkommenen Unterwerfung des Landes in Spanien zurückblieben, keinen anderen Zweck haben sollten, als unwillige Zeugen der grausamsten Reaction zu seyn, einer Reihe von Verfolgungen, die schrecklicher waren, als alle Gräuelscenen, deren Schauplatz Spanien seit der Vertreibung der Mauren gewesen war.

(Fortsetzung folgt.)
  1. Nach der Restauration seiner Ausschweifungen wegen, durch die er sich verächtlich machte, ins Kloster zurückgeschickt, in dem er starb.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_122.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)