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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

der Eltschi,“ begann Dschusi Beg, „und vor Männern von so erleuchtetem Verstand, wie die, welche ihn umgeben, wäre es eigentlich nicht nöthig, zu bemerken, daß Siyawesch, der Sohn des Ky-Kaus, Königs von Persien, in die Tatarey floh, wo ihn Afrasiab, der König dieses Landes, an seinen Hof aufnahm und ihm seine Tochter, die schöne Feringisch zur Ehe gab, ihn aber nach einiger Zeit tödtete. Die Wittwe des unglücklichen Prinzen blieb nun mit ihrem kleinen Sohne, dem nachmals so berühmten Ky-Khusru [1], den Verfolgungen ihres grausamen Vaters so lange Preis gegeben, bis darüber ein Rachekrieg zwischen beiden benachbarten Völkern ausbrach. Doch Ihr sollt jetzt hören, wie sie gegen einander zogen in die Schlacht – Die Perser unter ihrem Helden Rustem, die Türken unter ihrem Könige Afrasiab.

„„Noch horchten die Krieger, vor Ungeduld schlugen die kampfmuthigen Herzen: da schmetterten ferne die Trompeten, da erklang ein dumpfes Getöse von Pauken, Cymbeln, Clarinen, indischen und chinesischen Pfeifen; da kam es immer näher und näher, und das Feldgeschrei erhob sich zum Himmel, und die Erde erdröhnte unter dem Hufschlag der wiehernden Rosse. Sie sagten Rustem, dem Rächer, der Feind rücke heran mit einem starken Heer, das über die Ebene ziehe wie eine stolze Flotte über die See, zahllos wie die Ameisen und wie die Heuschrecken, und so weit das Auge reiche, Berge, Fluren und Wälder überdeckend. Als Rustem sahe, daß der König von Turan [2]nahe war, stellte er sich in den Mittelpunkt seiner Macht; Zewareh, seinem Bruder, übergab er das Hintertreffen; seinem Sohne Feramerz das Vordertreffen; Tus mit seiner Schaar besetzte den rechten Flügel. Sie waren ihrer Viel an Zahl, aber Alle waren Ein Herz. Feribus, der Sohn des Königs Ky-Kaus, stand auf dem linken Flügel, um ihn ein Geschlecht kühner Männer; Guders mit seinen Verwandten, lauter freien Helden, deckte den Rücken. Ein Berg von Säbeln und Lanzen erhob sich, als jetzt Gaweh’s [3]Standarte aufgepflanzt wurde.

„Aus den Reihen der Krieger Turan’s stürzte Pilsem hervor: sein Herz war voll bitterer Galle und seine Stirn voll tiefer Runzeln. „Wo ist Rustem?“ rief er den Helden von Iran zu. „Man sagt mir, er sey ein Drache am Tage der Schlacht.“ In diesem Augenblick vernahm man einen Schrei, daß die Erde zitterte. Es war Rustem’s Stimme. Er sprach zu seiner Schaar: „Rührt euch nicht von der Stelle, worauf ihr steht. Ich gehe, diesen Pilsem zum Schweigen zu bringen.“ Schäumend vor Zorn spregte Rustem vor die Schlachtlinie; er legte seine starke Lanze ein, schwang seinen Schild über sein Haupt und rief aus: „Pilsem, du gepriesener Krieger, hast du mich herausgefordert, daß du mich möchtest vernichten mit der Kraft deines Athems?“ Mit diesen Worten stieß er Pilsem die Lanze durch den Leib und hob ihn auf ihrer Spitze aus dem Sattel, wie einen leichten Ball. Und er trug seine Last weiter, bis vor die Schlachtlinie von Turan: hier warf er sie von der Spitze seiner Lanze zu ihren Füßen und sprach: „Hüllt nun den Körper eures Freundes in ein blasses Tuch, der Staub hat ihn schwarz gemacht.“ Wie jauchzten jetzt die Stämme der Helden, wie fielen die Schläge der Keulen, wie schmetterten die Trompeten und erklangen die Pauken meilenweit auf dem Rücken der Elephanten! Jeder Sumpf ward ein See von Blut, die Ebene glich einem Berg von Erschlagenen. Viel waren der Stolzen, die ihr Haupt senkten an diesem Tage. Der Himmel schien Blut zu dürsten, und die Brust des Vaters kannte keine Schonung gegen den Sohn; aber die Köpfe der Todten schienen zu jammern um einander. Der dunkle Flug der adlerbefiederten Pfeile drückte die Luft aus den Räumen, die ihr gebührten. Die Säbel und Speere glänzten durch die dicken Staubwolken wie der gezackte Blitz, der durch die düstre Nacht des Firmaments bricht. Der König von Turan sprach: „Unser gutes Glück wacht nicht mehr, sondern schläft.“ Sie verließen das Schlachtfeld, bedeckt mit Eisen, Silber und Gold, mit Helmen, Lanzen und Schilden. An diesem Tage ward der Aermste im Heere von Iran ein reicher Mann von der Menge der Juwelen und Kostbarkeiten.““

In der Nähe von Persepolis erneute sich uns Rustem’s Andenken, als wir die Bildnereien sahen, die seinen Namen [4] führen. Aus der Aehnlichkeit zu schließen, welche diese Figuren mit denen der Saßanidischen Münzen haben, kann man nicht zweifeln, daß sie den Ruhm der ersten Fürsten aus der Familie Rustem’s zu verewigen bestimmt waren. Als ich jedoch am folgenden Tag meinen persischen Freunden diese Vermuthung äußerte, so fand ich, daß sie mich als einen neidischen Franken betrachteten, der ihrem Helden, an dessen Namen in Persien alle Wunder der Tapferkeit und Größe sich anknüpfen, Abbruch thun wollte. Um meinen Irrthum wieder gut zu machen, hielt ich eine Lobrede auf Rustem. Wir besitzen, sagte ich, eine Nachricht von einem berühmten griechischen Helden, der Herkules hieß; manche von unseren Gelehrten haben ihn mit eurem Rustem verwechselt – allein nach meiner Meinung ist dieser Herkules nicht werth, eurem Helden die Pantoffel zu tragen.

Die Griechen erzählen von der Keule des Herkules: was soll aber diese Keule von Holz, wenn man sie mit der Ochsenkopfkeule Rustem’s vergleicht, womit dieser ganze Heere zu Boden schlug? Herkules erwürgte, als er noch ein Kind war, ein paar Schlangen: Rustem zerschmetterte in diesem Alter einem wüthenden Elephanten die Hirnschale. Herkules trug eine Löwenhaut; Rustem’s Gewand war aus den Häuten mehrerer Löwen zusammen gesetzt. Beide Helden besassen übernatürliche Kraft, aber Rustem bedurfte deren nicht einmal; denn seine natürliche Stärke war gleich der von hundert und zwanzig Elephanten, und unter fünfzig tausend Pferden fand sich nur eines, der herrliche

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 805. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_0834.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2023)
  1. Der Cyrus der Griechen.
  2. Die Tatarey oder Turkomannien.
  3. Gaweh war ein Hufschmid, der den wilden Tyrannen Zohak vom Thron stürzte. Als er zu diesem Zwecke ein Heer sammelte, diente sein Schurzfell als Standarte. Bis auf die Eroberung des Reichs durch die Mahommedaner blieb ein mit Brillanten besetztes Schurzfell persische Nationalfahne.
  4. Rekscha-i-Rustem.