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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Die Indianer in Nordamerika.

[Derzeit unberücksichtigt)


Die Befana.

An dem Abend des Dreikönigstages (Epiphania) ist es seit undenklichen Zeiten in Florenz Sitte, die Befana unter der Begleitung von Fackeln, Musik und den Mißtönen langer gläserner Trompeten in Procession in der Stadt herumzuführen. Wir waren oft in Gesellschaften, wo über diese Ceremonie gesprochen wurde, aber Niemand konnte erklären, was die Befana sey. Dieß möchte in der That auch schwer seyn, da sie unter einer Menge der verschiedensten Gestalten erscheint. Zuweilen ist die Befana ein weißer Stier mit einem Kind auf dem Rücken und mit Blumenkränzen geschmückt; dann ist sie wieder ein Affe, in bunten Lappen lustig aufgeputzt. Wir haben sie beides, männlich und weiblich, gesehen; gewöhnlich ist sie aber eine Art Ungeheuer oder die Carrikatur einer heidnischen Gottheit, die in einem schön geschmückten Wagen umher gezogen wir und für alle Kinder der Stadt ein Gegenstand des Schreckens ist.

Einige der ältesten italienischen Schriftsteller haben behauptet, daß Befana ein Name ohne alle Bedeutung sey, den Ammen und alte Weiber erfunden haben, um die Kinder durch die Furcht zu artigem Benehmen zu zwingen. Aber dieß ist nicht sehr wahrscheinlich; da der Name des Festes zu große Aehnlichkeit mit dem des Tages hat, an welchem dasselbe gefeiert wird, als daß man nicht annehmen sollte, die Befana sey nur die verderbte Aussprache von Epiphania. Und man kann daher voraussetzen, daß sie ursprünglich die Erscheinung der Weisen darstellen sollte, die nach der heil. Schrift „von fern“ kamen; und daß die Geschenke, die bei dieser Gelegenheit den Kindern gegben werden, eine symbolische Beziehung auf die Gaben haben, welche jene dem Heiland darboten. – Nach der Erklärung der Academia della Crusca ist die Befana eine Art Puppe, die aus Lumpen gemacht wird und eine männliche oder weibliche Gestalt vorstellt, meist indessen die letztere. Sie wird an dem Abend von Epiphania herumgeführt und an den Fenstern der niedern Stände aufgestellt. Daher wurde die Befana als eine Art Scheuche betrachtet und ihr Name zum Schimpfwort, das besonders auf alte Weiber angewendet wird. So sagt der Dichter Berni:

Ha gli occhi rossi, e il viso furibondo,
I labri grossi, e par la Befania.

[1]

Daß dieses Fest gerade in eine Zeit fällt, wo in katholischen Ländern Possenspiele und Lustbarkeiten aller Art mit der ungebundensten Freiheit herrschen, mag der Grund seyn, weshalb jene lächerlichen Personificationen und eine Menge komischer Fabeln an die Befana geknüpft wurden, die indessen nicht immer ein bloßes Schreckbild für die Kinder ist, sondern auch artiges Betragen derselben belohnt und Kuchen und Leckereien unter sie vertheilt. Die Ammen überreden die Kinder, daß genau um Mitternacht, alle Thiere mit menschlicher Sprache begabt werden, daher Firenzuola sagt: le pecore la notte della Befana favellano. Alles wird um diese Zeit in etwas Besseres verwandelt: das schlechteste Wasser in den vortrefflichsten Wein, die Wände der Häuser in Torten; genug – überall verläßt die Natur ihren gewöhnlichen Lauf. Die Befana, welche in den Gipfeln der Schornsteine wohnt, wird in dieser Nacht durch die Luft fliegend gesehen, weil es das Fest der Weisen aus Morgenland ist und sie besucht die Kinder, um sie, je nachdem sie es verdient haben, zu belohnen oder zu züchtigen. Aber diese Mährchen sind nicht bloß auf die Ammenstube beschränkt; wir haben es vielmehr aus den glaubwürdigsten Quellen, daß alles Landvolk in den Gebirgen von Toscana an die Macht der Befana glaubt; Viele geben ihrem Vieh an diesem Abend besseres Futter, damit dasselbe, wenn es die Sprache erhält, wohl von seinen Herren rede.

Foreign Review and Continental Miscellany,
N. H. p. 642. ff 


Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 792. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_0821.jpg&oldid=- (Version vom 12.10.2023)
  1. Sie hat rothe Augen und ein grimmiges Gesicht,
    Dicke Lippen und gleicht der Befania.