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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

einem Entschluß kommen können: entlich entschied er sich für einen purpurrothen Zeug mit gesticktem Saum. „Diesen will ich behalten,“ sagte er, indem er das Stück zusammen legte und unter den Arm nahm „Was ist der Preis?“ „Ihr seyd ein neuer Kunde, deswegen fordere ich nur zweihundert Piaster; ich sollte eigentlich für deine so auserlesene Waare drei bis vier hundert fordern; aber ich möchte, daß Ihr mir euren Zuspruch auch ein andermal wieder schenket, wenn Ihr Eure schöne Ländereien verlaßt, um unsre gewerbsame Stadt mit eurer Anwesenheit zu beehren.“ Abdolla legte den Seidzeug wieder hin: „Zwei–hundert–Piaster! Ihr müßt Euch gestoßen haben. Meint Ihr solche Piaster, wie diese?“ sagte Abdolla, indem er einen von seinen acht aus der Tasche langte und dem Kaufmann zeigte. „Freilich,“ erwiederte der letztere, „und der Preis ist noch billig.“ „Arme Ziba!“ sagte Abdolla seufzend. „Wer arm?“ murmelte der Kaufmann. „Mein Weib,“ sagte Abdolla. „Was will ich von Eurem Weib?“ sagte der Kaufmann, dessen Ton mit der verringerten Aussicht auf einen guten Handel immer brummiger wurde. „Ich will Euch Alles erzählen,“ sate Abdolla. „So alt ich bin, arbeite ich für den Reis unseres Dorfs; ich habe nie Geld gesehen, bis gestern, wo er mir zehn Piaster geschenkt hat. Mit diesem Geld gehe ich nach Mesched, wo ich zuvor nie gewesen bin, gebe als ein guter Moslim den fünften Theil dem Imam Mehdi und will mit dem Rest meinem Weib ein seidenes Kleid, meinem Jungen ein Pferd und einen Säbel und meinem lieben Töchterlein ein indisches Halstuch und eine Paar goldene Pantoffel kaufen. Und Ihr fordert mir für einziges Stück Seide zwei hundert Piaster. Wie soll ich nun das Uebrige bezahlen, das ich kaufen muß?“ Dieß sagte Abdolla mit dem Ton des Vorwurfs. „Packt Euch von meiner Bude fort,“ schrie der erboste Seidenhändler, „ich verliere mit Euch meine beste Zeit und verderbe meine kostbaren Waaren wegen eines Narren. Geht zu Eurer Ziba und zu euren lieben tölpelhaften Kindern und kauft ihnen Zuckerbrod, aber laßt mich in Ruhe.“ Mit diesen Worten wies er seinem neuen, schätzbaren Kunden die Thüre.

Abdolla sagte beim Weggehen vor sich hin: „Das ist ohne Zweifel ein Schurke; aber es giebt auch ehrliche Leute in Mesched; ich will jetzt zu den Pferdehändlern gehen, und wenn ich weiß, wo sie sind, so kauf’ ich dem Jusuf einen hübschen Klepper.“ Kaum zeigte er sich auf dem Pferdemarkt als Liebhaber, da hatte man ihm schon zwanzig vorgeführt. Eines, das sich prächtig aufbäumte, hatte bereits seinen ganzen Beifall, als ein Freund, den er zuvor nie gesehen, ihm in’s Ohr wisperte, er sollte sich in Acht nehmen, das Thier sey ja steif, gehe blos gut, wenn es warm geritten sey.

Es war an dem, daß er sich für ein anderes entschied, als derselbe Mann, mit einem bedeutenden Blick bald auf die Hand des Verkäufers, an welcher ein Finger fehlte, bald, indem er das Kauen eines Thieres nachahmte, auf das bewunderte Pferd hinwies, wodurch er zu verstehen gab, daß es bei diesem Handel Einiges zu bedenken gebe.

Abdolla wandte sich in der Verlegenheit an den guten Freund und fragte ihn, ob er nicht ein passendes Pferd für ihn wüßte? Der Mann antwortete: sein Bruder habe eines, aber er zweifele, daß es feil sey; doch da der Sohn das Pferd gewöhnlich reite, der sich jetzt gerade auf der Schule befinde, so könne man ja den Vater fragen. Der dankbare Abdolla bat ihn, ein Fürwort für ihn einzulegen. Das wurde versprochen und gehalten; und in ein paar Minuten gallopirte ein kleiner schmächtiger Schimmel, Kopf und Schwanz in der Luft, daher. Der entzückte Bauer dachte schon seinen Jusuf hinauf und, um seinen Traum schnell zu verwirklichen, fragte er nach dem Preis. „Ein Anderer, als Ihr,“ war die Antwort, „sollte ihn nicht unter zweihundert Piastern haben; weil es mir nicht blos um einen Kauf, sondern um einen Freund zu thun ist, so habe ich meinem Bruder zugeredet, daß er ihn Euch um hundert und fünfzig zukommen läßt.“ „Abdolla trat drei Schritte zurück: „Wie ihr Pferdehändler, ihr seyd so schlimm als die Seidenkrämer!“ Er wiederholte nun seinem Freund, was ihm vor und seit seinem Eintritt in Mesched begegnet war. Der Mann hatte kaum Geduld, ihn ganz anzuhören. „Und so konnte ich meine Freundschaft an einen dummen Lümmel wegwerfen, daß ich dem zu gefallen und aus übertriebener Ehrlichkeit mir vielleicht Vorwürfe von meinem Bruder zugezogen hätte! Geh du zu deiner Ziba und zu deinem Jusuf und zu deiner Fatima und kaufe für deinen hoffnungsvollen Jungen ein Sechszehntel von einem Esel! Der kleinste Theil von einem solchen Thier steht deinen Mitteln und deinem Verstand besser an, als ein Haar aus dem Schwanz eines der schönen Pferde, die du unverschämt genug gewesen bist dir zeigen zu lassen!“

Dieß gesagt, ließ er den armen Abdolla stehen. Indessen, dachte dieser, kann ich vielleicht einen der kleinern Artikel bekommen; allein zu seinem Verdruß fand er, daß der niedrigste Preis für einen Säbel dreißig, für ein paar Goldpantoffel zwanzig, und für ein schmales indisches Halstuch zwölf Piaster betrug, was auf jeden Fall Mehr war, als er besaß.

(Forts. folgt.)


(vorerst unberücksichtigt)

Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 784. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_0813.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)