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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Die englische Journalistik (noch unberücksichtigt)


Persische Skizzen.[1]

(Fortsetzung.)

Der Oberpriester von Schiras. Derwisch Seffer. Abdolla von Khorassan.

Der Glanz, womit die englische Gesandtschaft bei ihrem ersten Erscheinen in Persien auftrat, die großmüthige Freigebigkeit, wie jede Dienstleistung, die sie empfing, belohnt, der Werth jeder Achtungsbezeugung, die sie ertheilte, erhöht ward, das kluge Benehmen des Eltschi, der nie seiner Würde Etwas vergab, aber auch nie mit europäischem Stolze der asiatischen Sitte zu nahe trat, – hatte den Persern nicht nur eine günstige Meinung von dem Reichthum und der Macht, sondern auch Achtung für die Bildung der Britten eingeflößt. Diesem Umstande hatten wir es zu danken, wenn wir so manche interessante Bekanntschaft anknüpfen, so manchen Blick selbst in die engern Kreise ihres geselligen Lebens werfen konnten.

Als wir in Schiras ankamen, war Besuche abstatten, Festen beiwohnen, Geschenke geben und empfangen unsere einzige Beschäftigung. Indessen machte das zuthätige Wesen der Perser, als ich sah, wie Minister, Hofleute, Kaufleute, Schöngeister und Poeten sich an den Eltschi drängten, um sich ihm angenehm zu erweisen und dafür eine Uhr, ein Stück Tuch oder Zitz von ihm zu erhaschen, auf mich einen widrigen Eindruck. Ich ließ darüber einige Bemerkungen fallen. „Wir sind nicht so schlimm, als ihr glaubt,“ sagte dann wohl der gute Aga-Mir, unser Secretär, der gewöhnlich die Sache seiner Landsleute gegen uns verfocht, „es fehlt uns nicht an trefflichen Charakteren, wenn sie auch selten sind.“ Bei solchen Anlässen, die sich oft wiederholten, vergaß er zur Ehrenrettung des persischen Namens nie den Scheikh-ul-Islam[2] von Schiras anzuführen. Endlich war ich so glücklich, bei einem Frühstück, welches uns Mahommed-Husein-Khan, der Sohn des Ministers Hadschi-Ibrahim, gab, mit dem würdigen Manne zusammen zu treffen.

Die Gesellschaft hatte sich in dem Garten Sadi’s, neben einer Quelle am Grabmal dieses berühmten Weisen, versammelt. Es erhoben sich einige Schwierigkeiten ob der Anordnung der Plätze – ein zarter Punkt, den der Eltschi dadurch erledigte, daß er erklärte, der oberste Sitz gebühre dem Scheikh-ul-Islam. „Wenn ich eine solche Ehre annehme,“ entgegnete dieser, „so muß ich bemerken, daß ich sie als eine Artigkeit betrachte, die nicht meiner Person, sondern meinem heiligen Amte widerfährte“. Er entschuldigte sich hierauf gegen den Eltschi, daß er ihm keinen Besuch abgestattet hätte. „Ich kenne kein größeres Vergnügen,“ sagte der Scheikh, „als von fremden Ländern erzählen zu hören; mich zog es deswegen sehr nach Eurer Gesellschaft hin. Allein ich durfte nicht meiner Neigung folgen. Die Armen haben keinen Schild, der sie gegen den Uebermuth der Mächtigen deckt als die Stimme des Dieners der Religion: wenn nun unser Betragen den mindesten Anstoß gäbe, so verlören jene das Zutrauen zu uns, diese die Achtung – und unser Schutz wäre unwirksam.“

Der Scheikh-ul-Islam suchte dem Eltschi einen möglichst vortheilhaften Begriff von der Rechtspflege des Landes beizubringen und pflegte seine Beweise durch Anekdoten aus dem Leben frommer und gelehrter Männer zu erläutern.

„Der berühmte Abu-Jusuf,“ erzählte er unter Anderem, „war Oberrichter zu Bagdad unter der Regierung des Kalifen Hadi. Das Bewußtseyn seiner Mängel ließ ihn oft Zweifel finden, wo Männer von weniger Kenntnissen und mehr Eigendünkel unbedenklich entschieden hätten. Einst erklärte Abu-Jusuf, nachdem er alle Thatsachen auf das Sorgfältigste geprüft hatte, sein Wissen für unzureichend, um über einen vorliegenden Fall zu erkennen. „Ey,“ meinte ein vorwitziger Höfling, der dabei

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 781. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_0810.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)
  1. Man sehe Num. 148 folg. zunächst Num. 159.
  2. Oberrichter und Oberpriester.