Seite:Das Ausland (1828) 0786.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Fortschritte der Agricultur in Frankreich.


(Fortsetzung.)

Unwissende, denen es schwer fällt, ihren Ideen eine andere Richtung zu geben, sehen in jedem Fortschritte Gefahr und folglich auch in den Fortschritten der Agricultur und in der allgemeinen Einführung der neuen Methoden der Landwirthschaft. Einige Verbesserungen, welche diese angenommen hat, haben bereits die Wirkung gehabt, seit dem Frieden ein fortdauerndes Sinken der Getreidepreise zu veranlassen.[1] Schon hat dieses Weichen der Preise angefangen, die Einkünfte der Grundbesitzer sehr fühlbar zu vermindern. Viele unter ihnen beklagen sich daher über den Ueberfluß, welcher den Werth der Producte verringert; in unserer gegenwärtigen Lage, sagen sie, übersteigt die Production bereits die Bedürfnisse der Consumtion, was wird nun die Folge seyn, wenn im ganzen Lande eine Methode eingeführt wird, welche die Production noch erhöht? Und diese Klagen hören wir in einem Lande, wo neunzehn Zwanzigtheile der Bevölkerung des zweckmäßigsten Nahrungsmittels, des Fleisches, noch beinahe völlig entbehren müssen!

Eine einzige Betrachtung muß jede Besorgniß in Bezug auf die Folgen eines zu großen Productenüberflusses, der durch die Annahme des Systems der Wechselwirthschaft hervorgebracht werden könnte, abweisen; und die ist, daß, wenn die Agricultur in einem Lande diese Richtung nimmt, nothwendig auch die Bevölkerung sich sogleich in einem Maße vermehren wird, welches den Verbrauch des Mehrertrages sichert. Buffon hat gesagt: „Neben einem Brote wächst ein Mensch!“ Dieß ist der kräftigste Ausdruck einer unbestreitbaren Thatsache; doch darf man nicht vergessen, noch eine Bedingung hinzuzufügen, nämlich, daß jenes Brod auch von diesem Menschen erreicht werden könne, d. h. daß der Mensch im Stande sey, sich das Brod zu kaufen; denn so lange die menschliche Gesellschaft besteht, ist kein anderes Mittel Etwas zu erwerben denkbar, als daß man für das Erworbene etwas Anderes von gleichem Werthe giebt. Nun ist das Einzige, was die große Mehrheit der Menschen zu geben vermag, nur der Werth ihrer Arbeit; es folgt hieraus, daß neben den Subsistenzmitteln auch eine verhältnißmäßige Masse von Arbeitsmitteln vorhanden seyn müsse, wenn ein Land, welches den größten Reichthum von Producten hat, eine zahlreiche Bevölkerung ernähren soll. Dieß sieht man bei einigen Nationen, wo der Getreidebau, der an und für sich nur weniger Hände bedarf, eine große Ausdehnung erhalten hat, ohne daß sich durch andere Zweige der Industrie auch verhältnißmäßige Erwerbsmittel daneben fänden: ein solches Land ist Polen.

Eine Thatsache, die man seit zehn Jahren allgemein in Europa wahrgenommen hat, ist die fortwährende Abnahme der Interessen aller Capitalien; und die Ursache davon ist offenbar: Der Frieden hat die Arbeit begünstigt, und durch die Verbesserungen der Industrie, durch die Freiheit des Handels und durch Sparsamkeit hat sich die Masse des Besitzes jeder Art beträchtlich vermehrt. Wenn viele Landwirthe klagen, ihre Einkünfte viel schneller sich vermindern zu sehen, als die der andern Stände, so ist der Grund davon nur, daß bei dem allgemeinen Fortschreiten aller Gewerbe, dasjenige, dessen Ertrag ihre Einkünfte ausmacht, unter ihren Händen beinahe auf einem und demselben Puncte stehen geblieben ist; sie haben daher in doppelter Eigenschaft als unfähige Capitalisten und als ungeschickte Fabrikanten verloren. – Auch sind ihre Klagen ohne Zweifel sehr übertrieben. Wenn man sie hört, sollte man glauben, der Preis der Feldproducte sey so gering, daß es ihnen nicht den geringsten Gewinn mehr bringt, ihren Grund und Boden anzubauen. Die einzige Widerlegung, die wir dagegen anzuführen haben, ist die Thatsache, daß sie noch immer fortfahren, ihn zu bauen.

Aus dieser Lage der Dinge, der großen Nachfrage nach Arbeit bei dem geringen Preise des Getreides, geht hervor, daß der Zustand der Tagarbeiter in Frankreich sich sehr verbessert; denn da ihre Dienste häufiger gesucht werden, so verkaufen sie dieselben theurer, während sie auf der andern Seite ihre Lebensbedürfnisse wohlfeiler einkaufen. Sie legen von ihrem Gehalt Etwas zurück, und erkaufen sich von dem Ertrag ihrer Ersparnisse ein kleines Stück Feld, ein Haus, und ziehen eine zahlreiche Familie im Wohlstand auf. So geht das Eigenthum täglich und ohne alle Gewalt aus den Händen des müßigen Reichthumes in die der thätigen Armuth über.

Im Allgemeinen ist nicht zu bezweifeln, daß in Bezug auf das Interesse der consumirenden Classe große Fabriken den kleinern vorzuziehen sind; durch die Ersparnisse, welche der Gebrauch von Maschinen, die für kleine Werkstätten viel zu kostbar sind, in der Arbeit mit sich bringt, werden die großen Anstalten in den Stand

Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 757. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_0786.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)
  1. Das Jahr 1827 ist das erste, welches eine Ausnahme gemacht hat.