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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

wirklich erfolgt. Bald darauf erscheinen, mit einem großen Gefolge, der Schwiegersohn und die Tochter; beide werden aber mit Vorwürfen überhäuft, daß sie so lange ihre Pflicht vergessen haben, und der alte Mann erklärt ihnen, daß sie ihm nie wieder über die Schwelle treten dürfen. Indessen erbitten sie sich, an dem Geburtstag des Vaters, die Erlaubniß, ihm Glück wünschen zu dürfen, und bei dieser Gelegenheit bringt die Tochter, zu der ausgelassensten Freude des Alten, plötzlich seinen mit der zweiten Frau erzeugten, jetzt ungefähr dreijährigen, Sohn zum Vorschein. Mutter und Sohn sind so lange von ihr verborgen gehalten worden, um sie vor dem Neide des verbrecherischen Schwiegersohnes zu schützen; die Tochter wird jetzt von diesem geschieden, und wieder in das Haus ihrer Eltern aufgenommen, und der Alte theilt sein Vermögen noch einmal, indem er ein Drittel seinem Neffen, eines seiner Tochter, und das letzte seinem Sohn bestimmt. Das Stück schließt mit Ausdrücken der Freude über das glückliche Ereigniß, daß der gottesfürchtige Greis mit einem „Erben im hohen Alter“ gesegnet worden sey.

Die Acte und einzelnen Scenen sind ebenso abgetheilt wie in europäischen Dramen. Einem jeden Stück geht der Prolog voraus, in dem die Hauptpersonen erzählen, wer sie sind, und die Zuschauer von den zum Verständniß der Handlung nöthigen Umständen in Kenntniß setzen. Der Dialog der Komödie wird im gewöhnlichen Gesprächston vorgetragen, wie dieß auch bei den Römern und Griechen der Fall war; in tragischen Stücken aber wird die Stimme erhoben, und der Vers auf ähnliche Weise gesungen, wie das Recitativ in der italienischen Oper. Heftige Gefühle und Leidenschaften, Freude und Leid, Haß, Liebe und Rache u. s. w. werden lyrisch in Arien ausgedrückt und von rauschender Musik begleitet. Der Sänger steht in diesem Falle im Hintergrunde der Bühne. [1]

(Schluß folgt.)

Das rothe Meer.


(Schluß.)

Von Dschidda brauchten wir zehn Tage nach dem bloß 50 Lieues entfernten Yambo. Mit Hülfe eines geschickten Küstenlootsen kommt man zur Noth, ohne an den Klippen zu zerschellen, durch das schmale Fahrwaßer in den Hafen. Yambo, eine große Stadt, mit einem in der neuesten Zeit durch einige Kanonen verstärkten Fort (früher hätte es durch eine einzige Kanone zusammen geschossen werden können), ist derjenige Hafen, welcher über Koßeyr und Suez die unmittelbarsten Verbindungen mit Egypten unterhält. Wir fanden ihn bequem und sicher. Hier, wie in Moka, breitet sich die Landschaft fast, so weit das Auge reicht, als eine farblose Sanddüne aus, die selbst des Schmucks der Palme entbehrt; nur um den fernen Horizont scheint ein grüner Schleier sich zu weben: es ist dieß eine Reihe fruchtbarer Berge, von deren außerordentlicher Höhe man sich aber erst einen Begriff machen kann, wenn man sich ihnen mehr genähert hat. Alle Klimate, alle Temperaturen begegnen sich im Schoße dieser arabischen Andes; sie schließen jene wonnigen Thäler ein, aus deren Anschauung die Phantasie der Orientalen Sage und Verheißung von mehr als Einem Eden geschöpft hat.

Eine Karavane aus Medina – die Entfernung von Yambo beträgt zwei Tagreisen – kam gerade an. Alle unsre Vorstellungen von patriarchalischer Vorzeit erwachten bei diesem Anblick der stattlichen Männergestalten und ihrer langen bunten Trachten, des Zugs der Kameele, des Troßes der Knechte, der Zelte etc. Die Araber nennen in ihrer bilderreichen Sprache das Kameel das Schiff der Wüste, dieser Wüste, die dem Reisenden Nichts darbietet, als einen grenzenlosen Gesichtskreis und ein Meer von Sand. Beladen mit kostbaren Schätzen und von Führern geleitet, die ihren Lauf nach den Sternen richten, dringen die Kameele mitten in die unermeßlichen Gebiete der Einsamkeit, wo sie nur die Wuth der Orkane fürchten, wenn der Samum die Sandhose daher wirbelt und Alles, was athmet, unter ihrem Wogensturze begräbt.

Da es unsre Aufgabe war, diese Seestriche genau zu erforschen, so verließen wir Yambo, um unsre Küstenfahrt fortzusetzen, das Festland von Arabien auf der einen, die Klippen von Morsa, Haskaim, und die Inseln Hasana, Harama, Maka, Merahim auf der andern Seite. Der Strand ist allenthalben mit schroffen unnahbaren Felsen, wie mit natürlichen Wällen, bedeckt. Etwas über die Insel Tyran hinaus theilt sich das rothe Meer in zwei Meerbusen, den von Akaba und Suez, zwischen welchen die stumpfe Spitze von Cap Mahommed hervortritt. Im Meerbusen von Akaba befinden sich die beiden Häfen Ezeon-Geber und Eloth, von wo in den glänzenden Zeiten Jerusalems die israelitischen Flotten ausliefen. Heut zu Tage begreift man kaum, wie in Häfen ohne Anfahrt, und in einer Gegend ohne Holz und Wasser, Schiffe zu bauen, auszurüsten und auslaufen zu lassen, möglich war. Wären etwa in früherer Zeit diese Länder weniger von der Natur und den Menschen vernachläßigt gewesen? Hätte vielleicht erst im Lauf der Jahrhunderte, bei der langsamen, fast unmerklichen Wandelung der Erdachse von Norden gegen Süden, die Sonne eine solche Veränderung in den climatischen Verhältnissen hervorgebracht? Dieß ist die einzige Annahme, welche das historische Räthsel der Erscheinung ungeheurer Ruinen in der Wüste, wie der von Palmyra, Balbeck und andern Hauptstädten Asien und Afrikas einiger Maßen löst.

Auf der Art von Halbinsel, welche durch die Einschnitte beider Meerbusen gebildet wird, erheben sich die Berge Sinai und Horeb; unfern Tohr, liegen die sogenannten Mosesbrunnen; dort, in dem Land, das jetzt eine leblose Wildniß ist, blühte einst Edom, die Stadt, die in Reichthum und Bevölkerung sich mit Tyr maß, die der

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 738. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_0767.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)
  1. Da weder von der „Waise von Chao,“ noch von „dem Erben im hohen Alter“ eine deutsche Uebersetzung vorhanden ist, so werden wir unsern Lesern zur Probe einige Scenen aus dem letzteren Stück mittheilen.