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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 3. 3. Januar 1828.

Bemerkungen über die geographischen Entdeckungen und den Grad der Civilisation im innern Afrika.
Eine Rede von Jomard, gehalten in der Sitzung der vier Akademien des königl. Instituts von Frankreich.

Zum ersten Male dringen europäische Beobachter in das Herz des innern Afrika und legen ihren Reisebericht der Welt vor. In den Ruhm als Entdecker theilen sich Major Dixon Denham, Kapitän Clapperton und Dr. Walter Oudney. Der letztere erliegt – ein Opfer seines brennenden Eifers für die Förderung der geographischen Kenntnisse. Schon den Pfeil des Todes in der Brust, trägt dieser Märtyrer der Wissenschaft kein Bedenken, sich bis auf 600 Stunden in das Innere des Kontinents zu vertiefen. Ohne Hoffnung der Wiederkehr – schon wogt ein Ocean von Sand zwischen ihm und seiner Heimath – eilt er noch immer vorwärts, ähnlich jenen Tapfern, die, im Anfang des Zusammentreffens tödtlich verwundet, sich fortschleppen mitten auf das Schlachtfeld, um im Schoße des Sieges zu sterben.[1] Ohne Zweifel hätte sich, wäre die Welt weniger politisch zertheilt, die Theilnahme aller Edlen an einem in der Geschichte der Civilisation so ruhmvollen Ereignisse aussprechen müssen. Vielleicht datirt man eines Tages von dieser Epoche und wer weiß, ob nicht die Nachwelt auf der Liste der Entdeckungen, die die Gestalt der menschlichen Dinge verändert haben, das Jahr 1823 neben das Jahr 1492 setzt.

Zwei große Kontinente, bis jetzt einander fast unbekannt, sind im Begriff, sich die Hand zu reichen; der eine der erleuchtetste von allen, der andere, der lichtbedürftigste; dieser bis jetzt falsch beurtheilt nach den Menschen, die den Saum seiner Küsten bewohnen; jener belästigt durch eine übermäßige und unruhige Bevölkerung, und einen neuen Ausfluß für seinen Handel und seine Kunst-Erzeugnisse suchend. Glücklicher Weise trifft das materielle Bedürfniß Europa’s zusammen mit der allgemeinen Erweiterung der Kenntnisse, mit der Leidenschaft für Entdeckungen, mit dem allmäligen Verschwinden der Vorurtheile rücksichtlich der Farben, endlich mit der Verbreitung des Geistes wahrer Menschenliebe, welcher aus dem Christenthume entspringt.

Es gibt noch viele andere Länder als Sudan, von denen die Wissenschaft nichts als einige unbestimmte und zweifelhafte Namen kennt, die sie in ihren Registern nachführt; aber ich weiß nicht, welches eigenthümliche Interesse sich an die Entdeckung der innern Theile Afrika’s anknüpft. Man hat oft wiederholt, die Alten hätten Afrika besser gekannt, als die Neuern – eine Behauptung, bei welcher, wie in vielen Fällen, Irrthum und Wahrheit neben einander liegen, welche aber Europa nicht zugeben will. Für Europa, das den Rest der Erde erforscht hat, ist dieß gewissermaßen ein Ehrenpunkt. Wie! Asien und Amerika konnte es in wenigen Jahrhunderten für sich nutzbar machen, und noch einen fünften Welttheil entdecken; das weit nähere Afrika allein widerstände allen Versuchen, trotzte seiner Wißbegierde? Umsonst vervielfältigen sich die Ausrüstungen, häufen sich die Opfer an der unwirthbaren Schwelle; man könnte sagen, ein furchtbarer Genius vertheidige den Eingang in das geheimnißvolle Land, und weise, wie der Drache vor den Gärten der Hesperiden, die mächtigsten Völker ungeachtet ihres Muthes und ihrer Standfestigkeit zurück. Aber während voll Erwartung die Einen, voll Entwürfe die Andern sind, wird plötzlich der Schleier gelüftet – durch die Entdeckung eines Meeres voll süßen Wassers im Innern des Kontinents, durch die Ankunft der englischen Reisenden in Bornu und Mandara durch ihren kühnen Marsch bis zu dem großen Flusse, der, wie man vermuthet, von Tombuktu kommt.

Die Kürze der Zeit erlaubt dem Redner der Akademie, die aus der Aufgabe entspringenden Fragen, die er so gern erschöpfen möchte, nur leicht zu berühren: nämlich den Fortgang der Entdeckungen, den Grad der Civilisation der Völker des innern Afrika und den physikalischen Zustand des Landes. Man kann indessen in der Denkschrift, wovon gegenwärtige Betrachtungen ein Auszug sind, weitere Entwickelungen finden. Die mächtigste Scheidewand zwischen diesen Völkern und Europa ist nicht Entfernung, nicht das Klima, selbst nicht diese glühende Wüste, welche man in nicht weniger als 100 Tagen erst zurücklegt: das unübersteigliche Hinderniß, das seit zwei Jahrhunderten die Schritte der Europäer hemmt, ist der Golddurst. Ueberzeugt, daß man nur das Gold Afrika’s sucht, führen jene wilden Wächter Sudan’s die Reisenden irre, und locken sie in die Fallen, die sie ihnen legen.

Schon längst wäre man über Marokko nach Tombuktu gelangt, wenn nicht die Mauren und Juden, die Herren


  1. Zwei Stunden, ehe er vor Erschöpfung starb, ließ sich Walter Oudney auf sein Kamel binden, um die täglichen Untersuchungen und die Reise fortzusetzen.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_016.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)