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Daß die Wirkung des Clima vorzugsweise eine indirecte und durch Begünstigung anderer Arten eintretende sei, ergibt sich klar aus der außerordentlichen Menge solcher Pflanzen in unseren Gärten, welche zwar vollkommen im Stande sind unser Clima zu ertragen, aber niemals naturalisirt werden können, weil sie weder den Wettkampf mit unsern einheimischen Pflanzen aushalten noch der Zerstörung durch unsere einheimischen Thiere widerstehen können.

Wenn sich eine Art durch sehr günstige Umstände auf einem kleinen Raume zu übermäßiger Anzahl vermehrt, so sind Epidemien (so scheint es wenigstens bei unseren Jagdthieren gewöhnlich der Fall zu sein) oft die Folge davon, und hier haben wir ein vom Kampfe um’s Dasein unabhängiges Hemmnis. Doch scheint selbst ein Theil dieser sogenannten Epidemien von parasitischen Würmern herzurühren, welche durch irgend eine Ursache, vielleicht durch die Leichtigkeit der Verbreitung auf den gedrängt zusammenlebenden Thieren, unverhältnißmäsig begünstigt worden sind; und so fände hier gewissermaßen ein Kampf zwischen den Schmarotzern und ihren Nährthieren statt.

Andererseits ist in vielen Fällen ein großer Bestand von Individuen derselben Art im Verhältnis zur Anzahl ihrer Feinde unumgänglich für ihre Erhaltung nöthig. Man kann daher leicht Getreide, Rapssaat u. s. w. in Masse auf unseren Feldern erziehen, weil hier deren Samen im Vergleich zu den Vögeln, welche davon leben, in großem Übermaße vorhanden sind; und doch können diese Vögel, wenn sie auch mehr als nöthig Futter in der einen Jahreszeit haben, nicht im Verhältnis zur Menge dieses Futters zunehmen, weil die ganze Anzahl im Winter wieder beeinträchtigt wird. Dagegen weiß jeder, der es versucht hat, wie mühsam es ist, Samen aus ein paar Pflanzen Weizen oder andern solchen Pflanzen im Garten zu erziehen. Ich habe in solchen Fällen jedes einzelne Samenkorn verloren. Diese Ansicht von der Nothwendigkeit eines großen Bestandes einer Art für ihre Erhaltung erklärt, wie mir scheint, einige eigenthümliche Fälle in der Natur, wie z. B. daß sehr seltene Pflanzen zuweilen auf den wenigen Flecken, wo sie vorkommen, außerordentlich zahlreich auftreten, und daß manche gesellige Pflanzen selbst auf der äußersten Grenze ihres Verbreitungsbezirkes gesellig oder in großer Zahl beisammen gefunden werden. In solchen Fällen kann man nämlich glauben, eine Pflanzenart vermöge nur da zu bestehen, wo die Lebensbedingungen

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/97&oldid=- (Version vom 31.7.2018)