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der geringen Anzahl von Nestern im nachfolgenden Frühling, daß der Winter 1854–55 auf meinem eigenen Grundstücke vier Fünftheile aller Vögel zerstört hat; und dies ist eine furchtbare Zerstörung, wenn wir denken, daß bei dem Menschen eine Sterblichkeit von 10 Procent bei Epidemien schon ganz außerordentlich stark ist. Die Wirkung des Clima scheint beim ersten Anblick ganz unabhängig von dem Kampfe um’s Dasein zu sein; insofern aber das Clima hauptsächlich die Nahrung vermindert, veranlaßt es den heftigsten Kampf zwischen den Individuen, welche von derselben Nahrung leben, mögen sie nun einer oder verschiedenen Arten angehören. Selbst wenn das Clima, z. B. äußerst strenge Kälte, unmittelbar wirkt, so werden die mindest kräftigen oder diejenigen Individuen, die beim vorrückenden Winter am wenigsten Futter bekommen haben, am meisten leiden. Wenn wir von Süden nach Norden oder aus einer feuchten in eine trockene Gegend wandern, werden wir stets einige Arten immer seltener und seltener werden und zuletzt gänzlich verschwinden sehen; und da der Wechsel des Clima zu Tage liegt, so werden wir am ehesten versucht sein, den ganzen Erfolg seiner directen Einwirkung zuzuschreiben. Und doch ist dies eine falsche Ansicht; wir vergessen dabei, daß jede Art selbst da, wo sie am häufigsten ist, in irgend einer Zeit ihres Lebens beständig durch Feinde oder durch Concurrenten um Nahrung oder um denselben Wohnort ungeheure Zerstörung erfährt; und wenn diese Feinde oder Concurrenten nur im mindesten durch irgend einen Wechsel des Clima begünstigt werden, so werden sie an Zahl zunehmen und da jedes Gebiet bereits vollständig mit Bewohnern besetzt ist, so muß die andre Art zurückweichen. Wenn wir auf dem Wege nach Süden eine Art in Abnahme begriffen sehen, so können wir sicher sein, daß die Ursache ebensosehr in der Begünstigung anderer Arten liegt, als in der Benachtheiligung dieser einen, ebenso, wenn wir nordwärts gehen, obgleich in einem etwas geringeren Grade, weil die Zahl aller Arten und somit aller Mitbewerber gegen Norden hin abnimmt. Daher kommt es, daß, wenn wir nach Norden gehen oder einen Berg besteigen, wir weit öfter verkümmerten Formen begegnen, welche von unmittelbar schädlichen Einflüssen des Clima herrühren, als wenn wir nach Süden oder bergab gehen. Erreichen wir endlich die arktischen Regionen, oder die schneebedeckten Bergspitzen oder vollkommene Wüsten, so findet das Ringen um’s Dasein fast ausschließlich gegen die Elemente statt.

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/96&oldid=- (Version vom 31.7.2018)