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und daß sie es bei den rohesten Wilden jetzt ist. Es hätte aber in der That doch befremden müssen, wenn der Zuchtwahl keine Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre, da die Erblichkeit der guten und schlechten Eigenschaften so auffällig ist.


Unbewußte Zuchtwahl.

In jetziger Zeit versuchen es ausgezeichnete Züchter durch planmäßige Wahl, mit einem bestimmten Ziele im Auge, neue Stämme oder Unterrassen zu bilden, die alles bis jetzt im Lande Vorhandene übertreffen sollen. Für unseren Zweck jedoch ist diejenige Art von Zuchtwahl wichtiger, welche man die unbewußte nennen kann und welche das Resultat des Umstandes ist, daß Jedermann von den besten Thieren zu besitzen und nachzuziehen sucht. So wird Jemand, der Hühnerhunde halten will, natürlich zuerst möglichst gute Hunde zu bekommen suchen und nachher die besten seiner eigenen Hunde zur Nachzucht bestimmen; dabei hat er aber nicht die Absicht oder die Erwartung, die Rasse hierdurch bleibend zu ändern. Demungeachtet läßt sich annehmen, daß dieses Verfahren einige Jahrhundert lang fortgesetzt, eine jede Rasse ändern und veredeln wird, wie Bakewell, Collins u. A. durch ein gleiches und nur mehr planmäßiges Verfahren schon während ihrer eigenen Lebenszeit die Formen und Eigenschaften ihrer Rinderheerden wesentlich verändert haben. Langsame und unmerkbare Veränderungen dieser Art könnten nicht erkannt werden, wenn nicht wirkliche Messungen oder sorgfältige Zeichnungen der fraglichen Rassen seit langer Zeit gemacht worden wären, welche zur Vergleichung dienen können. In manchen Fällen kann man jedoch noch unveredelte oder wenig veränderte Individuen derselben Rasse in solchen weniger civilisirten Gegenden auffinden, wo die Veredlung derselben weniger fortgeschritten ist. So hat man Grund zu glauben, daß König Karl’s Jagdhundrasse[1] seit der Zeit dieses Monarchen unbewußter


  1. Herr Darwin ertheilt mir über die hier genannten Englischen Hundrassen folgende Auskunft:
    der Jagdhund (Spaniel) ist klein, rauhhaarig, mit hängenden Ohren und gibt auf der Fährte des Wildes Laut;
    der Spürhund (Setter) ist ebenfalls rauhhaarig, aber groß, und drückt sich, wenn er Wind vom Wilde hat, ohne Laut zu geben, lange Zeit regungslos auf den Boden;
    der Vorstehehund (Pointer) endlich entspricht dem deutschen Hühnerhunde und ist in England groß und glatthaarig.
    Bronn.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/59&oldid=- (Version vom 8.4.2021)