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Modification und Anpassung eines Thieres an ein Leben auf dem Lande oder im Süßwasser, statt im Meere, bedeutend dadurch vereinfacht würde, wenn es kein Larvenstadium durchlief; denn es ist nicht wahrscheinlich, daß Plätze in der Natur, die sowohl für Larven, als reife Zustände unter so neuen und bedeutend abgeänderten Lebensweisen geeignet wären, von andern Organismen gar nicht oder schlecht besetzt sein sollten. In diesem Falle würde das allmähliche Erlangen der erwachsenen Structur auf einem früheren und früheren Alter durch die natürliche Zuchtwahl begünstigt, und alle Spuren früherer Metamorphosen würden endlich verloren werden.

Wenn es auf der andern Seite dem Jungen vortheilhaft ist, eine von der elterlichen etwas verschiedene Lebensweise einzuhalten und demgemäß einen etwas abweichenden Bau zu haben, oder wenn es Larven, die bereits von ihren Eltern abweichen, vortheilhaft ist, noch weiter abzuweichen, so kann nach dem Princip der Vererbung in übereinstimmenden Lebenszeiten das Junge oder die Larve durch natürliche Zuchtwahl immer mehr und mehr zu jedem merkbaren Grade von seinen Eltern verschieden werden. Verschiedenheiten in den Larven können auch mit den aufeinander folgenden Stufen ihrer Entwickelung in Correlation treten, so daß die Larve auf ihrer ersten Stufe weit von der Larve auf der zweiten Stufe abweicht, wie es bei so vielen Thieren der Fall ist. Auch das Erwachsene kann sich Lagen und Gewohnheiten anpassen, wo ihm Bewegungs-, Sinnes- oder andere Organe nutzlos werden, und in diesem Falle kann man dessen letzte Metamorphose als eine rückschreitende bezeichnen.

Nach den eben gemachten Bemerkungen läßt sich erkennen, wie durch Abänderungen im Bau der Jungen in Übereinstimmung mit einer Vererbung derselben in correspondirenden Altersstufen Thiere dazu gelangen, von dem ursprünglichen Zustande ihrer erwachsenen Erzeuger vollständig verschiedene Entwickelungszustände zu durchlaufen. Die meisten unserer besten Gewährsmänner sind jetzt überzeugt, daß die verschiedenen Larven- und Puppenzustände von Insecten in dieser Weise durch Adaptation und nicht durch Vererbung von einer alten Form aus erlangt worden sind. Der merkwürdige Fall der Sitaris, eines Käfers, welcher gewisse ungewöhnliche Entwickelungsstufen durchläuft, wird erläutern, wie dies zu Stande kommt. So stellt die erste Larvenform, wie es Fabre beschreibt, ein kleines, lebendiges, mit sechs Füßen, zwei langen Antennen und vier Augen,

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 532. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/542&oldid=- (Version vom 31.7.2018)