Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein | |
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auf die Tintenfische bemerkt: „da ist keine Metamorphose; der Cephalopodencharacter ist deutlich da, schon weit früher als die Theile des Embryos vollständig sind.“ Land-Mollusken und Süßwasser-Crustaceen werden in der ihnen eigenen Form geboren, während die marinen Formen dieser beiden großen Classen beträchtliche und oft sehr große Entwickelungsveränderungen durchlaufen. Ferner erleiden die Spinnen kaum irgend eine Metamorphose. Bei fast allen Insecten durchlaufen die Larven, mögen sie nun thätig und den verschiedenst gestalteten Lebensarten angepaßt sein oder unthätig bleiben, dabei von ihren Eltern gefüttert oder mitten in die ihnen angemessene Nahrung hineingesetzt werden, eine ähnliche wurmförmige Entwickelungsstufe; in einigen wenigen Fällen aber ist, wie bei Aphis, nach den trefflichen Zeichnungen Huxley’s über die Entwickelung dieses Insects, kaum eine Spur dieses wurmförmigen Zustandes zu finden.
In manchen Fällen fehlen nur die früheren Entwickelungsstufen. So hat Fritz Müller die merkwürdige Entdeckung gemacht, daß gewisse garneelenartige Crustaceen (mit Penaeus verwandt) zuerst in der einfachen Nauplius-Form erscheinen, dann zwei oder drei Zoëa-Stufen, dann die Mysis-Form durchlaufen und endlich die reife Form erlangen. Nun kennt man in der ganzen enormen Classe der Malakostraken, zu denen diese Kruster gehören, bis jetzt keine Form, die zuerst eine Nauplius-Form entwickelte, obschon sehr viele als Zoëa erscheinen. Demungeachtet belegt Müller seine Ansicht mit Gründen, daß alle Crustaceen als Nauplii erschienen sein würden, wenn keine Unterdrückung der Entwickelung eingetreten wäre.
Wie sind aber dann diese verschiedenen Erscheinungen der Embryologie zu erklären? – nämlich: die sehr gewöhnliche, wenn auch nicht allgemeine Verschiedenheit der Organisation des Embryos und des Erwachsenen? – die in einer früheren Periode bestehende Gleichheit der verschiedenen Theile desselben individuellen Embryo, welche schließlich sehr ungleich werden und verschiedenen Zwecken dienen? – die fast allgemeine obschon nicht ausnahmslose Ähnlichkeit zwischen Embryonen oder Larven der verschiedensten Species einer und derselben Classe? – das Bestehenbleiben von Bildungen am Embryo, so lange er sich im Ei oder dem mütterlichen Körper findet, welche weder zu dieser noch späteren Periode des Lebens für ihn von Nutzen sind, während Larven, welche für sich selbst zu sorgen haben, den umgebenden Bedingungen vollkommen angepaßt sind? – und endlich
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 527. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/537&oldid=- (Version vom 31.7.2018)