Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein | |
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australischen Beutelthieren sämmtlich nach demselben außerordentlichen Typus gebaut sind, nämlich mit äußerst schlanken und von derselben Hautbedeckung umhüllten Knochen des zweiten und dritten Fingers, so daß diese wie eine einzige mit zwei Krallen versehene Zehe erscheinen. Trotz dieser Ähnlichkeit des Bauplans werden die Hinterfüße dieser verschiedenen Thiere offenbar zu so weit verschiedenen Zwecken benützt, als nur denkbar möglich ist. Der Fall wird um so auffallender, als die americanischen Opossums, welche nahezu dieselbe Lebensweise haben, wie einige ihrer australischen Verwandten, nach dem gewöhnlichen Plane gebaute Füße haben. Professor Flower, dem ich diese Angaben entnommen habe, bemerkt zum Schlusse: „wir können dies Übereinstimmung des Typus nennen, ohne jedoch der Erklärung dieser Erscheinung damit viel näher zu kommen;“ und dann fügt er hinzu: „legt es aber nicht sehr nachdrücklich die Annahme wirklicher Verwandtschaft, der Vererbung von einem gemeinsamen Vorfahren nahe?“
Geoffroy Saint-Hilaire hat beharrlich an der großen Wichtigkeit der wechselseitigen Lage oder Verbindung der Theile in homologen Organen festgehalten; die Theile mögen in fast allen Abstufungen der Form und Größe abändern, aber sie bleiben fest in derselben Weise miteinander verbunden. So finden wir z. B. die Knochen des Ober- und des Vorderarms oder des Ober- und Unterschenkels nie umgestellt. Daher kann man den homologen Knochen in weit verschiedenen Thieren denselben Namen geben. Dasselbe große Gesetz tritt in der Mundbildung der Insecten hervor. Was kann verschiedener sein, als der ungeheuer lange spirale Saugrüssel eines Abendschmetterlings, der sonderbar zurückgebrochene Rüssel einer Biene oder Wanze und die großen Kiefer eines Käfers? Und doch werden alle diese zu so ungleichen Zwecken dienenden Organe durch unendlich zahlreiche Modificationen einer Oberlippe, Oberkiefer und zweier Paar Unterkiefer gebildet. Dasselbe Gesetz herrscht in der Zusammensetzung des Mundes und der Glieder der Kruster. Und ebenso ist es mit den Blüthen der Pflanzen.
Nichts hat weniger Aussicht auf Erfolg, als ein Versuch diese Ähnlichkeit des Bauplanes in den Gliedern einer nämlichen Classe mit Hilfe der Nützlichkeitstheorie oder der Lehre von den endlichen Ursachen zu erklären. Die Hoffnungslosigkeit eines solchen Versuches ist von Owen in seinem äußerst interessanten Werke „Nature of limbs“
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 517. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/527&oldid=- (Version vom 31.7.2018)