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wie die, von denen in der Jetztzeit deren Verschiedenheiten in verschiedenen Ländergebieten abhängen. Wir erkennen dies aus vielen Thatsachen. Der Bestand jeder Art und Artengruppe ist der Zeit nach continuirlich; denn der scheinbaren Ausnahmen von dieser Regel sind so wenige, daß sie wohl am richtigsten daraus erklärt werden, daß wir deren in den mittleren Schichten vorkommende Reste, wo sie fehlen, aber darüber und darunter vorkommen, nur noch nicht entdeckt haben; – so ist es auch in Bezug auf den Raum sicherlich allgemeine Regel, daß das von einer einzelnen Art oder einer Artengruppe bewohnte Gebiet continuirlich ist, indem die allerdings nicht seltenen Ausnahmen sich, wie ich zu zeigen versucht habe, dadurch erklären, daß jene Arten in einer früheren Zeit unter abweichenden Verhältnissen oder mittelst gelegentlichen Transportes gewandert oder in den mittleren Gegenden ausgedehnter Gebiete erloschen sind. Arten und Artengruppen haben ein Maximum der Entwickelung in der Zeit wie im Raum. Artengruppen, welche in einem und demselben Zeitabschnitt oder in einem und demselben Raumbezirk zusammenleben, sind oft durch besondere auffallende, aber unbedeutende Merkmale, wie Sculptur oder Farbe, characterisirt. Wenn wir die lange Reihe verflossener Zeitabschnitte und die mehr oder weniger weit über die Erdoberfläche vertheilten zoologischen und botanischen Provinzen in’s Auge fassen, so finden wir hier wie dort, daß einige Species aus gewissen Classen nur wenig von einander differiren, während andere aus andern Classen oder auch nur andern Familien derselben Ordnung weit abweichen. In Zeit und Raum ändern die niedriger organisirten Glieder jeder Classe gewöhnlich minder als die höhern ab; doch kommen in beiden Fällen auffallende Ausnahmen von dieser Regel vor. Nach meiner Theorie sind diese verschiedenen Beziehungen durch Zeit und Raum ganz begreiflich; denn mögen wir die Lebensformen ansehen, welche in aufeinander folgenden Zeitaltern sich verändert, oder jene, welche nach ihren Wanderungen in andere Weltgegenden abgeändert haben, in beiden Fällen sind die Formen innerhalb jeder Classe durch das nämliche Band der gewöhnlichen Zeugung mit einander verkettet; und in beiden Fällen sind die Gesetze der Abänderung die nämlichen gewesen und sind Modificationen durch die nämliche Kraft der natürlichen Zuchtwahl gehäuft worden.

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/501&oldid=- (Version vom 31.7.2018)