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unbevölkerten Teichen und Strömen brächten. Und dasselbe Mittel mag hinsichtlich der Eier einiger kleiner Süßwasserthiere in Betracht kommen.

Auch noch andere und mitunter unbekannte Kräfte mögen dabei ihren Theil haben. Ich habe oben gesagt, daß Süßwasserfische manche Arten Sämereien fressen, obwohl sie viele andere Arten, nachdem sie sie verschlungen haben, wieder auswerfen; selbst kleine Fische verschlingen Samen von mäßiger Größe, wie die der gelben Wasserlilie und des Potamogeton. Reiher und andere Vögel sind Jahrhundert nach Jahrhundert täglich auf den Fischfang ausgegangen; wenn sie sich dann erheben, suchen sie oft andere Wasser auf oder werden auch zufällig über’s Meer getrieben; und wir haben gesehen, daß Samen oft ihre Keimkraft noch besitzen, wenn sie in Gewölle, in Excrementen u. dergl. viele Stunden später wieder ausgeworfen werden. Als ich die großen Samen der herrlichen Wasserlilie, Nelumbium, sah und mich dessen erinnerte, was Alphons DeCandolle über die Verbreitung dieser Pflanze gesagt hat, so meinte ich, ihre Verbreitung müsse ganz unerklärbar sein. Doch versichert Audubon, Samen der großen südlichen Wasserlilie (nach Dr. Hooker wahrscheinlich das Nelumbium luteum) im Magen eines Reihers gefunden zu haben. Obwohl es mir nun als Thatsache nicht bekannt ist, so schließe ich doch aus der Analogie, daß, wenn ein Reiher in einem solchen Falle nach einem andern Teiche flöge und dort eine herzhafte Fischmahlzeit zu sich nähme, er wahrscheinlich aus seinem Magen wieder einen Ballen mit noch unverdautem Nelumbiumsamen auswerfen würde.

Bei Betrachtung dieser verschiedenen Verbreitungsmittel muß man sich noch erinnern, daß, wenn ein Teich oder Fluß z. B. auf einer sich hebenden Insel zuerst entsteht, er noch nicht bevölkert ist und ein einzelnes Sämchen oder Eichen gute Aussicht auf Fortkommen hat. Obschon ein Kampf um’s Dasein zwischen den Individuen der auch noch so wenigen Arten, die bereits in einem Teiche beisammen leben, immer eintreten wird, so wird in Betracht, daß die Zahl der Arten selbst in einem gut bevölkerten Teiche im Vergleich mit den ein gleiches Stück Land bewohnenden Arten gering ist, die Concurrenz auch wahrscheinlich zwischen Wasserformen minder heftig als zwischen den Landbewohnern sein; ein neuer Eindringling aus den Wassern eines fremden Landes würde folglich auch mehr Aussicht haben eine Stelle zu erobern, als ein neuer Colonist auf dem trockenen Lande. Auch dürfen wir nicht vergessen, daß viele Süßwasserbewohner

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 471. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/481&oldid=- (Version vom 31.7.2018)