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Man begreift ferner die von einigen Beobachtern hervorgehobene sonderbare Thatsache, daß die Naturerzeugnisse Europa’s und Nord-America’s während der letzten Abschnitte der Tertiärzeit näher mit einander verwandt waren, als sie es in der gegenwärtigen Zeit sind; denn in dieser wärmeren Zeit werden die nördlichen Theile der alten und der neuen Welt beinahe vollständig durch Land mit einander verbunden gewesen sein, welches vordem der wechselseitigen Ein- und Auswanderung der Bewohner als Brücke diente, aber seither durch Kälte unpassirbar geworden ist.

Sobald während der langsamen Temperaturabnahme in der Pliocenperiode die gemeinsam ausgewanderten Bewohner der alten und neuen Welt südwärts vom Polarkreis angelangt waren, wurden sie vollständig von einander abgeschnitten. Diese Trennung trug sich, was die Bewohner der gemäßigteren Gegenden betrifft, vor langen langen Zeiten zu. Und als damals die Pflanzen- und Thierarten südwärts wanderten, werden sie in dem einen großen Gebiete sich mit den Eingeborenen America’s gemengt und mit ihnen zu concurriren gehabt haben, in dem andern großen Gebiete mit europäischen Arten. Hier ist demnach Alles zu reichlicher Abänderung der Arten angethan, weit mehr als es bei den in einer viel jüngeren Zeit auf verschiedenen Gebirgshöhen und in den arctischen Gegenden Europa’s und America’s isolirt zurückgelassenen alpinen Formen der Fall gewesen ist. Davon rührt es her, daß, wenn wir die jetzt lebenden Formen gemäßigterer Gegenden der alten und der neuen Welt mit einander vergleichen, wir nur sehr wenige identische Arten finden (obwohl Asa Gray kürzlich gezeigt hat, daß die Anzahl identischer Pflanzen größer ist, als man bisher angenommen hatte); aber wir finden in jeder großen Classe viele Formen, welche ein Theil der Naturforscher als geographische Rassen und ein anderer als unterschiedene Arten betrachtet, zusammen mit einer Masse nahe verwandter oder stellvertretender Formen, die bei allen Naturforschern für eigene Arten gelten.

Wie auf dem Lande, so kann auch in den Gewässern der See eine langsame südliche Wanderung der Fauna, welche während oder selbst etwas vor der Pliocenperiode längs der zusammenhängenden Küsten des Polarkreises sehr einförmig war, nach der Abänderungstheorie zur Erklärung der vielen nahe verwandten, jetzt in ganz gesonderten marinen Gebieten lebenden Formen dienen. Mit ihrer Hülfe läßt sich, wie ich glaube, das Dasein einiger noch lebender und

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 455. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/465&oldid=- (Version vom 31.7.2018)