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wiegend, angeklebt war, und diese enthielt ein Samenkorn einer Binse (Juncus bufonius), welches keimte und blühte. Herr Swaysland von Brighton, welcher unsern Zugvögeln während der verflossenen vierzig Jahre große Aufmerksamkeit gewidmet hat, theilt mir mit, daß er oft Bachstelzen (Motacilla), Weißkehlchen und Steinschmätzer (Saxicolae) bei ihrer ersten Ankunft und ehe sie sich auf englischem Boden niedergelassen hatten, geschossen und mehrere Male kleine Erdklümpchen an ihren Füßen bemerkt habe. Viele Thatsachen könnten angeführt werden, welche zeigen, wie der Boden überall voll von Sämereien steckt. Ich will ein Beispiel anführen: Prof. Newton schickte mir das Bein eines rothfüßigen Rebhuhns (Caccabis rufa), was verwundet war und nicht fliegen konnte; rings um das verwundete Bein mit dem Fuße hatte sich ein Ballen harter Erde angesammelt, der abgenommen sechs und eine halbe Unze wog. Diese Erde war drei Jahre aufgehoben worden: nachdem sie aber zerkleinert, bewässert und unter eine Glasglocke gebracht war, wuchsen nicht weniger als 82 Pflanzen aus ihr hervor. Diese bestanden aus 12 Monocotyledonen, darunter der gemeine Hafer und wenigstens eine Grasart, und aus 70 Dicotyledonen, unter denen sich nach den jungen Blättern zu urtheilen mindestens drei verschiedene Arten befanden. Können wir solchen Thatsachen gegenüber zweifeln, daß die vielen Vögel, welche jährlich durch Stürme über große Strecken des Oceans verschlagen werden, und welche jährlich wandern, wie z. B. die Millionen Wachteln über das Mittelmeer, gelegentlich ein paar Samen, von Schmutz an ihren Füßen oder Schnäbeln eingehüllt, transportiren müssen? Doch werde ich gleich auf diesen Gegenstand noch zurückzukommen haben.

Bekanntlich sind Eisberge oft mit Steinen und Erde beladen; selbst Buschholz, Knochen und auch ein Nest eines Landvogels hat man darauf gefunden; daher ist wohl nicht zu zweifeln, daß sie mitunter auch, wie Lyell bereits angenommen hat, Samen von einem Theile der arktischen oder antarktischen Zone zum andern, und in der Glacialzeit von einem Theile der jetzigen gemäßigten Zonen zum andern geführt haben. Da den Azoren eine im Verhältnis zu den übrigen dem Festlande näher gelegenen Inseln des atlantischen Meeres große Anzahl von Pflanzen mit Europa gemeinsam ist und (wie H. C. Watson bemerkt) insbesondere solche Arten, die einen etwas nördlicheren Character haben, als der Breite entspricht, so vermuthete ich, daß ein Theil derselben mit Eisbergen in der Glacialzeit dahin gelangt

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 448. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/458&oldid=- (Version vom 31.7.2018)