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sind oder es wahrscheinlich nicht so lange gewesen sind wie die zwischen den Festländern gelegenen Weltmeere, so sind diese Verschiedenheiten dem Grade nach viel untergeordneter als die für verschiedene Continente characteristischen.

Wenden wir uns zu dem Meere, so finden wir das nämliche Gesetz. Die Meeresfaunen der Ost- und Westküsten von Süd- und Central-America sind sehr verschieden; sie haben äußerst wenige Mollusken, Krustenthiere und Echinodermen gemeinsam; Günther hat aber neuerdings gezeigt, daß von den Fischen an den gegenüberliegenden Seiten des Isthmus von Panama ungefähr dreißig Procent dieselben sind; und diese Thatsache hat einige Naturforscher zu der Annahme geführt, daß der Isthmus früher offen gewesen sei. Westwärts von den americanischen Gestaden erstreckt sich ein weiter Raum offenen Oceans mit nicht einer Insel zum Ruheplatz für Auswanderer; hier haben wir eine Schranke anderer Art, und sobald diese überschritten ist, treffen wir auf den östlichen Inseln des stillen Meeres auf eine neue und ganz verschiedene Fauna. Es erstrecken sich also drei Meeresfaunen nicht weit von einander in parallelen Linien weit nach Norden und Süden unter sich entsprechenden Climaten. Da sie aber durch unübersteigliche Schranken von Land oder offenem Meer von einander getrennt sind, so bleiben sie beinahe völlig von einander verschieden. Gehen wir aber andrerseits von den östlichen Inseln im tropischen Theile des stillen Meeres noch weiter nach Westen, so finden wir keine unüberschreitbaren Schranken mehr; unzählige Inseln oder zusammenhängende Küsten bieten sich als Ruheplätze dar, bis wir nach Umwanderung einer Hemisphäre zu den Küsten Africa’s gelangen; und in diesem ungeheuren Raume finden wir keine wohl-characterisirten und verschiedenen Meeresfaunen. Obwohl nur so wenig Seethiere jenen drei benachbarten Faunen von der Ost- und Westküste Americas und von den östlichen Inseln des stillen Oceans gemeinsam sind, so reichen doch viele Fischarten vom stillen bis zum indischen Ocean; und viele Weichthiere sind den östlichen Inseln der Südsee und den östlichen Küsten Africas unter sich fast genau entgegenstehenden Längen-Meridianen gemein.

Eine dritte große Thatsache, schon zum Theil in den vorigen Angaben mitbegriffen, ist die Verwandtschaft zwischen den Bewohnern eines nämlichen Festlandes oder Weltmeeres, obwohl die Arten in verschiedenen Theilen und Standorten desselben verschieden sind. Es

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/444&oldid=- (Version vom 31.7.2018)