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gewesen sein, so daß sie erst dann, nachdem sie sich in diesem oder jenem Meere sehr entwickelt, sich weit verbreitet hätten. Auch sind wir nicht anzunehmen berechtigt, daß die Weltmeere von Norden nach Süden allezeit so offen wie jetzt gewesen sind. Selbst heutigen Tages könnte der tropische Theil des Indischen Oceans durch eine Hebung des Malayischen Archipels über den Meeresspiegel in ein großes geschlossenes Becken verwandelt werden, worin sich irgend welche große Seethiergruppe zu entwickeln und vervielfältigen vermöchte; und da würde sie dann eingeschlossen bleiben, bis einige der Arten für ein kühleres Clima geeignet und in Stand gesetzt worden wären, die Südcaps von Africa und Australien zu umwandern und so in andere ferne Meere zu gelangen.

Aus diesen Betrachtungen, ferner in Berücksichtigung unserer Unkunde über die geologischen Verhältnisse anderer Weltgegenden außerhalb Europa’s und Nord-America’s, endlich nach dem Umschwung, welchen unsere paläontologischen Vorstellungen durch die Entdeckungen während des letzten Dutzend von Jahren erlitten haben, glaube ich folgern zu dürfen, daß wir eben so übereilt handeln würden, die bei uns bekannt gewordene Art der Aufeinanderfolge der Organismen auf die ganze Erdoberfläche zu übertragen, als ein Naturforscher thäte, welcher nach einer Landung von fünf Minuten an irgend einem öden Küstenpunkte Australiens auf die Zahl und Verbreitung seiner Organismen schließen wollte.


Plötzliches Erscheinen ganzer Gruppen verwandter Arten in den untersten fossilführenden Schichten.

Es gibt noch eine andere und verwandte Schwierigkeit, welche noch bedenklicher ist; ich meine das plötzliche Auftreten von Arten aus mehreren der Hauptabtheilungen des Thierreichs in den untersten fossilführenden Gesteinen. Die meisten der Gründe, welche mich zur Überzeugung geführt haben, daß alle lebenden Arten einer Gruppe von einem gemeinsamen Urerzeuger herrühren, sind mit gleicher Stärke auch auf die ältesten fossilen Arten anwendbar. So läßt sich z. B. nicht daran zweifeln, daß alle cambrischen und silurischen Trilobiten von irgend einem Kruster herkommen, welcher lange vor der cambrischen Zeit gelebt haben muß und wahrscheinlich von allen jetzt bekannten Krustern sehr verschieden war. Einige der ältesten Thiere sind zwar nicht sehr von noch jetzt lebenden Arten verschieden, wie

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 393. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/403&oldid=- (Version vom 31.7.2018)