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Art gekreuzt werden, man mehr Samen erhält, wenn man die gleichfarbigen als wenn man die ungleichfarbigen Varietäten miteinander paart. Auch Scott hat mit den Arten und Varietäten von Verbascum Versuche angestellt, und obgleich er nicht im Stande war, Gärtner’s Resultate über das Kreuzen distincter Arten zu bestätigen, so findet er doch, daß die ungleich gefärbten Varietäten derselben Art weniger Samen ergeben (im Verhältnis von 86 zu 100), als die ähnlich gefärbten Varietäten. Und doch weichen diese Varietäten in keiner Beziehung als in der Farbe ihrer Blüthen von einander ab, und eine Varietät läßt sich zuweilen aus dem Samen der andern erziehen.

Kölreuter, dessen Genauigkeit durch jeden späteren Beobachter bestätigt worden ist, hat die merkwürdige Thatsache nachgewiesen, daß eine eigenthümliche Varietät des gemeinen Tabaks, wenn sie mit einer ganz andern ihr weit entfernt stehenden Species gekreuzt wird, fruchtbarer ist als die andern Varietäten. Er machte mit fünf Formen Versuche, die allgemein für Varietäten gelten, was er auch durch die strengste Probe, nämlich durch Wechselkreuzungen bewies, und fand, daß die Blendlinge vollkommen fruchtbar waren. Doch gab eine dieser fünf Varietäten, mochte sie nun als Vater oder Mutter mit ins Spiel kommen, bei der Kreuzung mit Nicotiana glutinosa stets minder unfruchtbare Bastarde, als die vier andern Varietäten bei Kreuzung mit Nicotiana glutinosa gaben. Es muß daher das Reproductivsystem dieser einen Varietät in irgend einer Weise und in irgend einem Grade modificirt gewesen sein.

Nach diesen Thatsachen kann nicht länger mehr behauptet werden, daß Varietäten bei ihrer Kreuzung unabänderlich völlig fruchtbar sind. Bei der großen Schwierigkeit, die Unfruchtbarkeit der Varietäten im Naturzustande zu bestätigen, weil jede bei der Kreuzung nur in irgend einem Grade etwas unfruchtbare Varietät allsbald allgemein für eine Species erklärt werden würde, sowie in Folge des Umstandes, daß der Mensch bei seinen domesticirten Varietäten nur auf die äußeren Charactere sieht, und da solche Varietäten keine sehr lange Zeit hindurch gleichförmigen Lebensbedingungen ausgesetzt worden sind: – nach all’ diesen Betrachtungen können wir schließen, daß die Fruchtbarkeit bei Kreuzungen keinen fundamentalen Unterscheidungsgrund zwischen Varietäten und Arten abgibt. Die allgemeine Unfruchtbarkeit gekreuzter Arten kann getrost nicht als etwas besonders

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/367&oldid=- (Version vom 31.7.2018)