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Kreuzung zwischen irgend zwei Arten ist nicht immer von deren systematischer Affinität noch von dem Grade ihrer Ähnlichkeit abhängig. Diese letzte Angabe ist hauptsächlich aus der Verschiedenheit des Ergebnisses der wechselseitigen Kreuzung zweier nämlichen Arten erweisbar, wo die Leichtigkeit, mit der man eine Paarung erzielt, gewöhnlich etwas, mitunter aber auch so weit als möglich differirt, je nachdem man die eine oder die andre der zwei gekreuzten Arten als Vater oder als Mutter nimmt. Auch sind ja übrigens die zweierlei durch Wechselkreuzung erzielten Bastarde oft in ihrer Fruchtbarkeit verschieden.

Nun fragt es sich, ob aus diesen eigenthümlichen und verwickelten Regeln hervorgehe, daß die Unfruchtbarkeit der Arten bei deren Kreuzung einfach den Zweck habe, ihre Vermischung im Naturzustande zu verhüten! Ich glaube nicht. Denn warum wäre in diesem Falle der Grad der Unfruchtbarkeit so außerordentlich verschieden, wenn verschiedene Arten gekreuzt werden, da wir doch annehmen müssen, die Verhütung dieser Verschmelzung sei gleich wichtig bei allen? Warum wäre sogar schon der Grad der Unfruchtbarkeit bei Individuen einer nämlichen Art angeborenermaßen veränderlich? Zu welchem Ende sollten manche Arten so leicht zu kreuzen sein und doch sehr sterile Bastarde erzeugen, während andere sich nur äußerst schwierig paaren lassen und doch vollkommen fruchtbare Bastarde liefern? Wozu sollte es dienen, daß die zweierlei Producte einer wechselseitigen Kreuzung zwischen den nämlichen Arten sich oft so sehr abweichend verhalten? Wozu, kann man sogar fragen, hat die Natur überhaupt die Bildung von Bastarden gestattet? Es scheint doch eine wunderbare Anordnung zu sein, erst den Arten das Vermögen Bastarde zu bilden zu gewähren, dann aber deren weitere Fortbildung durch verschiedene Grade von Sterilität zu hemmen, welche in keiner strengen Beziehung zur Leichtigkeit der ersten Kreuzung ihrer Eltern stehen.

Die voranstehenden Regeln und Thatsachen scheinen mir dagegen deutlich darauf hinzuweisen, daß die Unfruchtbarkeit sowohl der ersten Kreuzungen als der Bastarde einfach mit unbekannten Verschiedenheiten im Fortpflanzungssysteme der gekreuzten Arten zusammen- oder von ihnen abhängt. Die Verschiedenheiten sind von so eigenthümlicher und beschränkter Natur, daß bei wechselseitigen Kreuzungen zwischen denselben zwei Arten oft das männliche Element der einen von ganz ordentlicher Wirkung auf das weibliche der andern ist, während bei

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/349&oldid=- (Version vom 31.7.2018)