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Bastarden erzielten Samen mit deren Durchschnittszahl bei den zwei reinen elterlichen Arten in ihrem Naturzustande. Doch laufen hier noch Ursachen ernsten Irrthums mit unter. Eine Pflanze, welche hybridisirt werden soll, muß castrirt und, was oft noch wichtiger ist, eingeschlossen werden, damit ihr kein Pollen von andern Pflanzen durch Insecten zugeführt werden kann. Fast alle Pflanzen, die zu Gärtner’s Versuchen gedient haben, waren in Töpfe gepflanzt und, wie es scheint, in einem Zimmer seines Hauses untergebracht. Daß aber solches Verfahren die Fruchtbarkeit der Pflanzen oft beeinträchtigt, läßt sich nicht bezweifeln; denn Gärtner selbst führt in seiner Tabelle etwa zwanzig Fälle an, wo er die Pflanzen castrirte und dann mit ihrem eigenen Pollen künstlich befruchtete; aber (die Leguminosen und alle anderen derartigen Fälle, wo die Manipulation anerkannter Maßen schwierig ist, ganz bei Seite gesetzt) die Hälfte jener zwanzig Pflanzen zeigte eine mehr oder wenig verminderte Fruchtbarkeit. Da nun überdies Gärtner einige Formen, wie Anagallis arvensis und A. coerulea, welche die besten Botaniker nur als Varietäten betrachten, wiederholt mit einander kreuzte und sie durchaus unfruchtbar mit einander fand, so dürfen wir wohl zweifeln, ob viele andere Species wirklich so steril bei der Kreuzung sind, als Gärtner glaubte.

Es ist gewiß, daß einerseits die Unfruchtbarkeit mancher Arten bei gegenseitiger Kreuzung dem Grade nach so verschieden ist und sich allmählich so unmerkbar abschwächt, und daß andererseits die Fruchtbarkeit echter Species so leicht durch mancherlei Umstände berührt wird, daß es für alle praktischen Zwecke äußerst schwer zu sagen ist, wo die vollkommene Fruchtbarkeit aufhöre und wo die Unfruchtbarkeit beginne. Ich glaube, man kann keinen besseren Beweis verlangen, als der ist, daß die in dieser Beziehung erfahrensten zwei Beobachter, die es je gegeben, nämlich Kölreuter und Gärtner, hinsichtlich einiger der nämlichen Formen zu schnurstracks entgegengesetzten Ergebnissen gelangt sind. Auch ist es sehr belehrend, die von unseren besten Botanikern vorgebrachten Argumente über die Frage, ob diese oder jene zweifelhafte Form als Art oder als Varietät zu betrachten sei, mit dem aus der Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit nach den Berichten verschiedener Bastardzüchter oder den mehrjährigen Versuchen eines und desselben Verfassers entnommenen Beweise zu vergleichen. Doch habe ich hier keinen Raum, auf Details einzugehen.

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/338&oldid=- (Version vom 31.7.2018)