Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein | |
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Hörnern geben, obwohl nie ein Ochse selbst diese Eigenschaft auf Nachkommen zu übertragen im Stande ist. Das folgende ist ein noch besseres und factisch vorliegendes Beispiel. Nach Verlot erzeugen einige Varietäten des einjährigen gefüllten Winterlevkoy in Folge der langfortgesetzten sorgfältigen Auswahl in der passenden Richtung immer aus Samen im Verhältnis sehr viele gefüllte und unfruchtbar blühende Pflanzen; sie bringen aber gleicherweise immer einige einfach und fruchtbar blühende Pflanzen hervor. Diese letzteren, durch welche allein die Varietät fortgepflanzt werden kann, können nun mit den fruchtbaren Männchen und Weibchen einer Ameisencolonie, die unfruchtbaren gefülltblühenden mit den sterilen Geschlechtslosen derselben Colonie verglichen werden. Wie bei den Varietäten des Levkoy, so ist auch bei den geselligen Insecten Zuchtwahl auf die Familie und nicht auf das Individuum zur Erreichung eines nützlichen Ziels angewendet worden. Wir können daher schließen, daß unbedeutende Modificationen des Baus oder Instincts, welche mit der unfruchtbaren Beschaffenheit gewisser Mitglieder der Gemeinde im Zusammenhang stehn, sich für die Gemeinde nützlich erwiesen haben; in Folge dessen gediehen die fruchtbaren Männchen und Weibchen derselben besser und übertrugen auf ihre fruchtbaren Nachkommen eine Neigung unfruchtbare Glieder mit den nämlichen Modificationen hervorzubringen. Dieser Vorgang muß vielmals wiederholt worden sein, bis diese Verschiedenheit zwischen den fruchtbaren und unfruchtbaren Weibchen einer und derselben Species zu der wunderbaren Höhe gedieh, wie wir sie jetzt bei vielen gesellig lebenden Insecten wahrnehmen.
Aber wir haben bis jetzt die größte Schwierigkeit noch nicht berührt, die Thatsache nämlich, daß die Geschlechtslosen bei mehreren Ameisenarten nicht allein von den fruchtbaren Männchen und Weibchen, sondern auch noch untereinander selbst bis zu einem beinahe unglaublichen Grade abweichen und danach in zwei oder selbst drei Kasten getheilt werden. Diese Kasten gehen überdies in der Regel nicht in einander über, sondern sind vollkommen getrennt, so verschieden von einander, wie es sonst zwei Arten einer Gattung oder vielmehr zwei Gattungen einer Familie zu sein pflegen. So kommen bei Eciton arbeitende und kämpfende Individuen mit außerordentlich verschiedenen Kinnladen und Instincten vor; bei Cryptocerus tragen die Arbeiter der einen Kaste allein eine wunderbare Art von Schild an ihrem Kopfe, dessen Gebrauch ganz unbekannt ist. Bei den mexicanischen
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/330&oldid=- (Version vom 31.7.2018)