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Modificationen des Instinctes (wenigstens nicht wundersamer als jene, die den Vogel bei seinem Nestbau leiten), durch welche, wie ich glaube, die Korbbiene auf dem Wege natürlicher Zuchtwahl zu ihrer unnachahmlichen architectonischen Geschicklichkeit gelangt ist.

Doch diese Theorie läßt sich durch Versuche bewähren. Nach Tegetmeier’s Vorgänge trennte ich zwei Bienenwaben und fügte einen langen dicken rechtwinkligen Streifen Wachs dazwischen. Die Bienen begannen sogleich kleine kreisrunde Grübchen darin auszuhöhlen; die sie immer mehr erweiterten, je tiefer sie wurden, bis flache Becken daraus entstanden, die für das Auge vollkommene Sphären oder Theile davon zu sein schienen und ungefähr vom Durchmesser der gewöhnlichen Zellen waren. Es war mir sehr interessant, zu beobachten, daß überall, wo mehrere Bienen zugleich neben einander solche Aushöhlungen zu machen begannen, sie in solchen Entfernungen von einander blieben, daß, als jene Becken die erwähnte Weite, d. h. die ungefähre Weite einer gewöhnlichen Zelle erlangt hatten, und ungefähr den sechsten Theil des Durchmessers des Kreises, wovon sie einen Theil bildeten, tief waren, sie sich mit ihren Rändern einander schnitten oder durchsetzten. Sobald dies der Fall war, hielten die Bienen mit der weiteren Austiefung ein und begannen auf den Schneidungslinien zwischen den Becken ebene Wände von Wachs senkrecht aufzuführen, so daß jedes sechsseitige Prisma auf den unebenen Rand eines glatten Beckens statt auf die geraden Ränder einer dreiseitigen Pyramide zu stehen kam, wie bei den gewöhnlichen Bienenzellen.

Ich brachte dann statt eines dicken rechtwinkligen Stückes Wachs einen schmalen und nur messerrückendicken Wachsstreifen, mit Cochenille gefärbt, in den Korb. Die Bienen begannen sogleich von zwei Seiten her kleine Becken nahe beinander darin auszuhöhlen, in derselben Weise wie zuvor; aber der Wachsstreifen war so dünn, daß der Boden der Becken bei gleichtiefer Aushöhlung wie vorhin von zwei entgegengesetzten Seiten her hätte ineinander brechen müssen. Dazu ließen es aber die Bienen nicht kommen, sondern hörten bei Zeiten mit der Vertiefung auf, so daß die Becken, sobald sie etwas vertieft waren, Boden mit ebenen Seiten bekamen; und diese ebenen Flächen, aus dünnen Plättchen des rothgefärbten Wachses bestehend, die nicht weiter ausgenagt wurden, kamen, so weit das Auge es unterscheiden konnte, genau längs der imaginären Schneidungsebenen zwischen den Becken der zwei entgegengesetzten Seiten des Wachsstreifens

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/320&oldid=- (Version vom 31.7.2018)