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als nothwendig coordinirt spricht, nicht erwähnt. In allen Fällen ist aber Speculation über irgend einen, uns nur in einer einzigen Species bekannten Instinct nutzlos, denn wir haben keine uns leitenden Thatsachen. Bis ganz vor Kurzem kannte man nur die Instincte des europäischen und des nicht parasitischen americanischen Kuckucks; Dank den Beobachtungen E. Ramsay’s wissen wir jetzt etwas über die drei australischen Arten, welche ihre Eier in fremde Nester legen. Drei Hauptpunkte kommen hier in Betracht: erstens legt der gemeine Kuckuck mit seltenen Ausnahmen nur ein Ei in ein Nest, so daß der junge große und gefräßige Vogel reichliche Nahrung erhält. Zweitens ist das Ei so merkwürdig klein, daß es nicht größer als das Ei einer Lerche, eines viermal kleineren Vogels als der Kuckuck ist. Daß die geringe Größe des Eies ein wirklicher Fall von Adaptation ist, können wir aus der Thatsache entnehmen, daß der nicht parasitische americanische Kuckuck seiner Größe entsprechende Eier legt. Drittens und letztens hat der junge Kuckuck bald nach der Geburt schon den Instinct, die Kraft und einen passend geformten Schnabel, um seine Pflegegeschwister aus dem Neste zu werfen, die dann vor Kälte und Hunger umkommen. Man hat nun kühner Weise behauptet, dies sei wohlwollend eingerichtet, damit der junge Kuckuck hinreichende Nahrung erhalte und daß seine Pflegegeschwister umkommen, ehe sie viel Gefühl erlangt haben!

Wenden wir uns nun zu den australischen Arten: obgleich diese Vögel allgemein nur ein Ei in ein Nest legen, so findet man doch nicht selten zwei und selbst drei Eier derselben Kuckucksart in demselben Neste. Beim Bronzekuckuck variiren die Eier bedeutend in Größe von acht bis zehn Linien Länge. Wenn es nun für diese Art von irgend welchem Vortheil gewesen wäre, selbst noch kleinere Eier gelegt zu haben, als sie jetzt thut, so daß gewisse Pflegeeltern leichter zu täuschen wären, oder, was noch wahrscheinlicher wäre, daß sie schneller ausgebrütet würden (denn man hat angegeben, daß zwischen der Größe der Eier und der Incubationsdauer ein bestimmtes Verhältnis bestehe), dann ist es nicht schwer zu glauben, daß sich eine Rasse oder Art gebildet haben könne, welche immer kleinere und kleinere Eier legte; denn diese würden sicherer ausgebrütet und aufgezogen werden. Ramsay bemerkt von zwei der australischen Kuckucke, daß, wenn sie ihre Eier in ein offenes und nicht gewölbtes Nest legen, sie einen entschiedenen Vorzug für Nester zu erkennen geben,

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/308&oldid=- (Version vom 31.7.2018)