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Folge der Erfahrung war. Nach den Beobachtungen Huber’s ist es sicher, daß die Blattläuse keine Abneigung gegen die Ameisen zeigen, und wenn diese fehlen, so sind sie zuletzt genöthigt, ihre Excretionen auszustoßen. Da nun die Aussonderung außerordentlich klebrig ist, so ist es ohne Zweifel für die Aphiden von Nutzen, daß sie entfernt werde; und so ist es denn wahrscheinlich auch mit dieser Excretion nicht auf den ausschließlichen Vortheil der Ameisen abgesehen. Obwohl kein Zeugniß dafür existirt, daß irgend ein Thier in der Welt etwas zum ausschließlichen Nutzen einer andern Art thue, so sucht doch jede Art Vortheil von den Instincten anderer zu ziehen und macht sich die schwächere Körperbeschaffenheit anderer zu Nutze. So können denn auch in einigen Fällen gewisse Instincte nicht als absolut vollkommen betrachtet werden, was ich aber bis ins einzelne auseinanderzusetzen hier unterlassen will, da ein derartiges Eingehen nicht unerläßlich ist.

Da im Naturzustande ein gewisser Grad von Abänderung in den Instincten und die Erblichkeit solcher Abänderungen zur Wirksamkeit der natürlichen Zuchtwahl unerläßlich ist, so sollten wohl so viel Beispiele als möglich angeführt werden, aber Mangel an Raum hindert mich es zu thun. Ich kann bloß versichern, daß Instincte gewiß variiren, wie z. B. der Wanderinstinct nach Ausdehnung und Richtung variiren oder sich auch ganz verlieren kann. So ist es mit den Nestern der Vögel, welche theils je nach der dafür gewählten Stelle, nach den Natur- und Wärmeverhältnissen der bewohnten Gegend, theils aber auch oft aus ganz unbekannten Ursachen abändern. So hat Audubon einige sehr merkwürdige Fälle von Verschiedenheiten in den Nestern derselben Vogelarten, je nachdem sie im Norden oder im Süden der Vereinigten Staaten leben, mitgetheilt. Warum, hat man gefragt, hat die Natur wenn Instinct veränderlich ist, der Biene nicht „die Fähigkeit ertheilt, andere Materialien da zu benützen, wo Wachs fehlt?“ Aber welche andere Materialien könnten Bienen benützen? Ich habe gesehen, daß sie mit Cochenille erhärtetes und mit Fett erweichtes Wachs gebrauchen und verarbeiten. Andrew Knight sah seine Bienen, statt emsig Pollen einzusammeln, ein Cement aus Wachs und Terpentin gebrauchen, womit er entrindete Bäume überstrichen hatte. Endlich hat man kürzlich Bienen beobachtet, die, statt Blüthen um ihres Samenstaubs willen aufzusuchen, gerne eine ganz verschiedene Substanz, nämlich Hafermehl, verwendeten. – Furcht vor irgend

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/301&oldid=- (Version vom 31.7.2018)