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mit in’s Spiel, selbst bei Thieren, welche sehr tief auf der Stufenleiter der Natur stehen.

Frédéric Cuvier und verschiedene ältere Metaphysiker haben Instinct mit Gewohnheit verglichen. Diese Vergleichung gibt, wie ich denke, einen genauen Begriff von dem Zustande des Geistes, in dem eine instinctive Handlung vollzogen wird, aber nicht nothwendig, auch von ihrem Ursprunge. Wie unbewußt werden manche unserer habituellen Handlungen vollzogen, ja nicht selten in geradem Gegensatz zu unserem bewußten Willen! und doch können sie durch den Willen oder Verstand abgeändert werden. Gewohnheiten verbinden sich leicht mit andern Gewohnheiten oder mit gewissen Zeitabschnitten und Zuständen des Körpers. Einmal angenommen erhalten sie sich oft lebenslänglich. Es ließen sich noch manche andere Ähnlichkeiten zwischen Instincten und Gewohnheiten nachweisen. Wie bei Wiederholung eines wohlbekannten Gesanges, so folgt auch beim Instincte eine Handlung auf die andere durch eine Art Rhytmus. Wenn Jemand beim Gesange oder bei Hersagung auswendig gelernter Worte unterbrochen wird, so ist er gewöhnlich genöthigt, wieder zurückzugehen, um den gewohnheitsgemäßen Gedankengang wieder zu finden. So sah es P. Huber auch bei einer Raupenart, wenn sie beschäftigt war, ihr sehr zusammengesetztes Gewebe zu fertigen; nahm er sie heraus, nachdem dieselbe ihr Gewebe, sagen wir bis zur sechsten Stufe vollendet hatte, und setzte er sie in ein anderes nur bis zur dritten vollendetes, so fertigte sie einfach die vierte und fünfte Stufe nochmals mit der sechsten an. Nahm er sie aber aus einem z. B. bis zur dritten Stufe vollendeten Gewebe und setzte sie in ein bis zur sechsten fertiges, so daß sie ihre Arbeit schon größtentheils gethan fand, so sah sie bei weitem diesen Vortheil nicht ein, sondern fieng in großer Befangenheit über diesen Stand der Sache die Arbeit nochmals vom dritten Stadium an, da wo sie solche in ihrem eigenen Gewebe verlassen hatte, und suchte von da aus das schon fertige Werk zu Ende zu führen.

Wenn wir nun annehmen – und es läßt sich nachweisen, daß dies zuweilen eintritt –, daß eine durch Gewohnheit angenommene Handlungsweise auch auf die Nachkommen vererbt wird, dann würde die Ähnlichkeit zwischen dem, was ursprünglich Gewohnheit, und dem was Instinct war, so groß sein, daß beide nicht mehr unterscheidbar wären. Wenn Mozart statt in einem Alter von drei Jahren das

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/298&oldid=- (Version vom 31.7.2018)