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anderer Eigenthümlichkeiten an ihre Lebensweise. Wir müssen, wie ich schon vorhin betont habe, im Auge behalten, daß die vererbten Wirkungen des vermehrten Gebrauchs der Theile und vielleicht auch ihres Nichtgebrauchs durch die natürliche Zuchtwahl verstärkt werden. Denn alle spontanen Abänderungen in der passenden Richtung werden hierdurch erhalten werden, wie es auch diejenigen Individuen werden, welche im höchsten Grade die Wirkungen des vermehrten und wohlthätigen Gebrauchs irgend eines Theils erben. Wie viel in jedem einzelnen besonderen Falle den Wirkungen des Gebrauchs und wie viel der natürlichen Zuchtwahl zugeschrieben werden muß, scheint unmöglich zu sein, zu entscheiden.

Ich will noch ein anderes Beispiel einer Structureinrichtung anführen, welche ihren Ursprung allem Anschein nach ausschließlich dem Gebrauch oder der Gewohnheit verdankt. Das Ende des Schwanzes ist bei einigen americanischen Affen in ein wunderbar vollkommenes Greiforgan verwandelt worden und dient als eine fünfte Hand. Ein Kritiker, welcher mit Mr. Mivart in jeder Einzelnheit übereinstimmt, bemerkt über dies Gebilde: „Es ist unmöglich zu glauben, daß in irgend einer noch so großen Anzahl von Jahren die erste unbedeutend auftretende Neigung zum Erfassen das Leben der damit versehenen Individuen erhalten oder die Wahrscheinlichkeit, daß diese nun Nachkommen erhalten und aufziehen, vergrößern könne.“ Für einen solchen Glauben ist aber keine Nothwendigkeit vorhanden. Gewohnheit (und dies setzt fast voraus, daß irgend eine Wohlthat, groß oder klein, daraus hergeleitet wird) genügt aller Wahrscheinlichkeit nach für die Aufgabe. Brehm sah die Jungen eines africanischen Affen (Cercopithecus) sich an der untern Körperfläche ihrer Mutter mit den Händen festhalten; gleichzeitig schlangen sie aber ihre kleinen Schwänze um den ihrer Mutter. Professor Henslow hielt einige Saatmäuse (Mus messorius) in Gefangenschaft, welche keinen, seinem Bau nach prehensilen Schwanz besitzen; aber er beobachtete häufig, daß sie ihre Schwänze um die Zweige eines Busches schlangen, den man in ihren Käfig gestellt hatte, und sich damit beim Klettern halfen. Einen analogen Bericht habe ich auch von Dr. Günther erhalten, welcher gesehen hat, wie sich eine Maus an dem Schwanze aufhieng. Wäre die Saatmaus in strengerem Sinne baumlebend, so würde vielleicht ihr Schwanz seinem Baue nach prehensil gemacht worden sein, wie es bei einigen zu derselben Ordnung gehörigen Thieren der Fall

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/275&oldid=- (Version vom 31.7.2018)