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der ganze Körper ist in dieser Zeit noch symmetrisch und beide Seiten sind gleich gefärbt. Bald beginnt aber das der unteren Seite angehörige Auge langsam um den Kopf herum auf die obere Seite zu gleiten, tritt indessen dabei nicht direct quer durch den Schädel, wie man früher glaubte, daß es der Fall wäre. Es ist nun ganz offenbar, daß, wenn das untere Auge nicht in dieser Art herumwanderte, es von dem in seiner gewöhnlichen Stellung auf der einen Seite liegenden Fische gar nicht benutzt werden könnte. Auch würde das untere Auge sehr leicht von dem sandigen Boden durch Abreiben verletzt werden. Daß die Pleuronectiden durch ihren abgeplatteten und unsymmetrischen Körperbau ihrer Lebensweise wunderbar gut angepaßt sind, zeigt sich offenbar dadurch, daß mehrere Species, wie die Solen, Seezungen, Flundern u. z. w. äußerst gemein sind. Die hauptsächlichsten hierdurch erlangten Vortheile scheinen einmal der Schutz vor ihren Feinden und dann die Leichtigkeit der Ernährung auf dem Meeresgrunde zu sein. Die verschiedenen Glieder der Familie bieten indessen, wie Schiödte bemerkt „eine lange Reihe von Formen dar mit einem allmählichen Übergange von Hippoglossus pinguis, welcher in keinem irgendwie beträchtlichen Grade die Gestalt ändert, in welcher er die Eihüllen verläßt, zu den Seezungen, welche vollkommen auf eine Seite umgeworfen sind.“

Mr. Mivart hat diesen Fall aufgenommen und bemerkt, daß eine plötzliche spontane Umwandlung in der Stellung der Augen kaum denkbar ist, worin ich vollständig mit ihm übereinstimme. Er fügt dann hinzu: „wenn das Hinüberwandern stufenweise erfolgte, dann ist es durchaus nicht klar, wie ein solches Wandern des einen Auges um einen äußerst geringen Bruchtheil der ganzen Entfernung bis zur andern Seite des Kopfes für das Individuum wohlthätig sein konnte. Es scheint selbst, als müsse eine derartige beginnende Umwandlung eher schädlich gewesen sein.“ Er hätte aber eine Antwort auf diesen Einwand in den ausgezeichneten, im Jahre 1867 veröffentlichten Beobachtungen von Malm finden können. Die Pleuronectiden oder Schollen können, so lange sie sehr jung und noch symmetrisch sind, wo ihre Augen noch auf den gegenüberliegenden Seiten des Kopfes stehen, eine senkrechte Stellung nicht lange beibehalten, und zwar in Folge der excessiven Höhe ihres Körpers, der geringen Größe ihrer paarigen Flossen und wegen des Umstandes, daß ihnen eine Schwimmblase fehlt. Sie werden daher sehr bald müde und fallen auf die eine Seite

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/272&oldid=- (Version vom 31.7.2018)