Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/269

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sie bedeutend verschieden, indem sie hier nach innen vorspringen, anstatt gerade nach unten gerichtet zu sein. Der ganze Kopf der Löffel-Ente, obschon unvergleichlich weniger massig, hat ungefähr ein Achtzehntel der Länge des Kopfes einer mäßig großen Balaenoptera rostrata, bei welcher Species das Fischbein nur neun Zoll lang ist, so daß, wenn man den Kopf der Löffel-Ente so groß machen könnte wie der der Balaenoptera ist, die Lamellen sechs Zoll Länge erreichen würden, d. i. also zwei Drittel der Bartenlänge in dieser Walfischart. Die untere Kinnlade der Löffel-Ente ist mit Lamellen von gleicher Länge wie die oberen, aber feineren, versehen; und durch diesen Besitz von Platten weicht sie auffallend vom Unterkiefer eines Walfisches ab, welcher kein Fischbein besitzt. Andererseits sind aber die Enden dieser untern Lamellen in feine borstige Spitzen ausgezogen, so daß sie den Fischbeinbarten merkwürdig ähnlich sind. In der Gattung Prion, einem Gliede der verschiedenen Familie der Sturmvögel, ist der Oberkiefer allein mit Lamellen versehen, welche gut entwickelt sind und unter dem Rande vorspringen; in dieser Hinsicht gleicht also der Schnabel dieses Vogels dem Munde eines Walfisches.

Von der hoch entwickelten Structureigenthümlichkeit des Schnabels der Löffel-Ente können wir, (wie ich durch Untersuchung von Exemplaren gelernt habe, die mir Mr. Salvin gesandt hat), ohne eine große Unterbrechung der Reihe, so weit die zweckmäßige Einrichtung zum Durchseihen in Betracht kommt, zu dem Schnabel der Merganetta armata und in gewisser Beziehung zu dem der Aix sponsa und von dieser zu dem Schnabel der gemeinen Ente kommen. In dieser letzteren Art sind die Lamellen viel größer als bei der Löffel-Ente und fest an die Seiten des Kiefers geheftet; es sind davon nur ungefähr 50 auf jeder Seite vorhanden und sie springen durchaus nicht unterhalb des Kieferrandes vor. Sie sind oben quer abgestutzt und mit durchscheinendem härtlichem Gewebe bedeckt, wie zum Zermalmen der Nahrung. Die Ränder der Unterkinnladen werden von zahlreichen feinen Leisten gekreuzt, welche sehr wenig vorspringen. Obgleich hiernach der Schnabel als Seihe-Apparat sehr dem der Löffel-Ente nachsteht, so gebraucht doch dieser Vogel, wie Jedermann weiß, den Schnabel beständig zu diesem Zwecke. Wie ich von Mr. Salvin erfahre, gibt es andere Species, bei denen die Lamellen beträchtlich weniger entwickelt sind, als bei der gemeinen Ente; ich weiß aber nicht, ob dieselben den Schnabel zum Seihen des Wassers benutzen.

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/269&oldid=- (Version vom 31.7.2018)