Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein | |
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ihren Unterhalt zu gewinnen, haben nach Wollaston’s Vermuthung keineswegs verkümmerte, sondern vielmehr stärker entwickelte Flügel. Dies ist mit der Thätigkeit der natürlichen Zuchtwahl völlig verträglich. Denn wenn ein neues Insect zuerst auf die Insel kommt, wird das Streben der natürlichen Zuchtwahl, die Flügel zu verkleinern oder zu vergrößern, davon abhängen, ob eine größere Anzahl von Individuen durch erfolgreiches Ankämpfen gegen die Winde, oder durch mehr oder weniger häufigen Verzicht auf diesen Versuch sich rettet. Es ist derselbe Fall, wie bei den Matrosen eines in der Nähe der Küste gestrandeten Schiffes; für diejenigen, welche gut schwimmen können, wäre es besser gewesen, wenn sie noch weiter hätten schwimmen können, während es für die schlechten Schwimmer besser gewesen wäre, wenn sie gar nicht hätten schwimmen können und sich an das Wrack gehalten hätten.
Die Augen der Maulwürfe und einiger wühlender Nager sind an Größe verkümmert und in manchen Fällen ganz von Haut und Pelz bedeckt. Dieser Zustand der Augen rührt wahrscheinlich von fortwährendem Nichtgebrauche her, dessen Wirkung aber vielleicht durch natürliche Zuchtwahl unterstützt wird. Ein südamericanischer Nager, der Tucu-tuco oder Ctenomys, hat eine noch mehr unterirdische Lebensweise als der Maulwurf, und ein Spanier, welcher oft dergleichen gefangen hatte, versicherte mir, daß derselbe oft ganz blind sei; einer, den ich lebend bekommen, war es gewiß und zwar, wie die Section ergab, in Folge einer Entzündung der Nickhaut. Da häufige Augenentzündungen einem jeden Thiere nachtheilig werden müssen, und da für Thiere mit unterirdischer Lebensweise die Augen gewiß nicht nothwendig sind, so wird eine Verminderung ihrer Größe, die Adhäsion der Augenlider und das Wachsthum des Felles über dieselben in solchem Falle für sie von Nutzen sein; und wenn dies der Fall, so wird natürliche Zuchtwahl die Wirkung des Nichtgebrauches beständig unterstützen.
Es ist wohl bekannt, daß mehrere Thiere aus den verschiedensten Classen, welche die Höhlen in Kärnthen und Kentucky bewohnen, blind sind. Bei einigen Krabben ist der Augenstiel noch vorhanden, obwohl das Auge verloren ist; das Teleskopengestell ist geblieben, obwohl das Teleskop mit seinen Gläsern fehlt. Da man sich schwer davon eine Vorstellung machen kann, wie Augen, wenn auch unnütz, den in Dunkelheit lebenden Thieren schädlich werden sollten, so schreibe ich ihren Verlust auf Rechnung des Nichtgebrauchs. Bei
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/172&oldid=- (Version vom 31.7.2018)