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von beiden ist, und die Natur der Bedingungen. Die directe Wirkung veränderter Bedingungen führt zu bestimmten oder unbestimmten Resultaten. Im letzten Falle scheint die Organisation plastisch geworden zu sein, und wir finden eine große fluctuirende Variabilität. Im ersteren Falle ist die Natur des Organismus derartig, daß sie leicht nachgibt, wenn sie gewissen Bedingungen unterworfen wird, und alle oder nahezu alle Individuen werden in derselben Weise modificirt.

In wie weit Verschiedenheiten der äußeren Bedingungen, wie Clima, Nahrung u. s. w. in einer bestimmten Weise eingewirkt haben, ist sehr schwer zu entscheiden. Wir haben Grund zu glauben, daß im Laufe der Zeit die Wirkungen größer gewesen sind, als es durch irgend welche klare Belege als wirklich geschehen nachgewiesen werden kann. Wir können aber getrost schließen, daß die zahllosen zusammengesetzten Anpassungen des Baues, welche wir durch die ganze Natur zwischen verschiedenen organischen Wesen bestehen sehen, nicht einfach einer solcher Wirkung zugeschrieben werden können. In den folgenden Fällen scheinen die Lebensbedingungen eine geringe bestimmte Wirkung hervorgebracht zu haben. Edward Forbes behauptet, daß Conchylien an der südlichen Grenze ihres Verbreitungsbezirks und wenn sie in seichtem Wasser leben, glänzendere Farben annehmen, als dieselbe Art in ihrem nördlicheren Verbreitungsbezirk oder in größeren Tiefen darbietet. Doch ist dies gewiß nicht für alle Fälle richtig. Gould glaubt, daß Vögel derselben Art in einer stets heiteren Atmosphäre glänzender gefärbt sind, als wenn sie auf einer Insel oder in der Nähe der Küste leben. So ist auch Wollaston überzeugt, daß der Aufenthalt in der Nähe des Meeres Einfluß auf die Farben der Insecten habe. Moquin-Tandon gibt eine Liste von Pflanzen, welche an der Seeküste mehr oder weniger fleischige Blätter bekommen, wenn sie auch landeinwärts nicht fleischig sind. Diese unbedeutend abändernden Organismen sind insofern interessant, als sie Charactere darbieten, welche denen analog sind, welche die Arten zeigen, die auf ähnliche Lebensbedingungen beschränkt sind.

Wenn eine Abänderung für ein Wesen von dem geringsten Nutzen ist, so vermögen wir nicht zu sagen, wie viel davon von der häufenden Thätigkeit der natürlichen Zuchtwahl und wie viel von dem bestimmten Einfluß äußerer Lebensbedingungen herzuleiten ist. So ist es den Pelzhändlern wohl bekannt, daß Thiere einer Art um so dichtere und bessere Pelze besitzen, je weiter nach Norden sie gelebt

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/168&oldid=- (Version vom 31.7.2018)