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die Zuchtwahl könne wohl bei der Bildung neuer Arten etwas bewirkt haben. Doch erschien dies (vergl. Vol. III, p. 798) als ungenau und unbewiesen. Ich gab auch einige Auszüge aus einer Correspondenz zwischen Professor Owen und dem Herausgeber der London Review, nach denen es sowohl dem Herausgeber als mir offenbar so erschien, als behaupte Professor Owen die Theorie der natürlichen Zuchtwahl schon vor mir ausgesprochen zu haben; und über diese Behauptung drückte ich meine Ueberraschung und meine Befriedigung aus. So weit es indessen möglich ist, gewisse neuerdings publicirte Stellen zu verstehen (das angeführte Werk, Vol. III, p. 798), bin ich wiederum theilweise oder vollständig in Irrthum gerathen. Es ist ein Trost für mich, daß Andere die streitigen Schriften Professor Owen’s ebenso schwer zu verstehen und mit einander in Uebereinstimmung zu bringen finden, wie ich selbst. Was die bloße Aussprache des Princips der natürlichen Zuchtwahl betrifft, so ist es völlig gleichgültig, ob dies Professor Owen früher als ich that oder nicht; denn wie in dieser historischen Skizze nachgewiesen wird, giengen uns beiden schon vor langer Zeit Dr. Wells und Herr Matthew voraus.

Isidore Geoffroy St.-Hilaire spricht in seinen im Jahre 1850 gehaltenen Vorlesungen (von welchen ein Auszug in Revue et Magazin de Zoologie 1851, Jan. erschien) seine Meinung über Artencharactere kurz dahin aus, daß „sie für jede Art feststehen, so lange als sich dieselbe inmitten der nämlichen Verhältnisse fortpflanze, daß sie aber abändern, sobald die äußeren Lebensbedingungen wechseln.“ Im Ganzen „zeigt die Beobachtung der wilden Thiere schon die beschränkte Veränderlichkeit der Arten. Die Versuche mit gezähmten wilden Thieren und mit verwilderten Hausthieren zeigen dies noch deutlicher. Dieselben Versuche beweisen auch, daß die hervorgebrachten Verschiedenheiten vom Werthe derjenigen sein können, durch welche wir Gattungen unterscheiden“. In seiner ,Histoire naturelle générale‘ (1859, T. II, p. 430) führt er ähnliche Folgerungen noch weiter aus.

Aus einer unlängst erschienenen Veröffentlichung scheint hervorzugehen, daß Dr. Freke schon im Jahre 1851 (Dublin Medical Press p. 322) die Lehre aufgestellt hat, daß alle organischen Wesen von einer Urform abstammen. Seine Gründe und Behandlung des Gegenstandes sind aber von den meinigen gänzlich verschieden: da aber sein ,0rigin of Species by means of organic affinity, 1861‘

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)