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Leichtigkeit, mit welcher sie erregt werden. Claude Bernard behauptet daher: „L’influence du cerveau tend donc à entraver les mouvements réflexes, à limiter leur force et leur étendue“.[1]

Der bewußte Wunsch, eine Reflexhandlung auszuführen, hemmt oder unterbricht zuweilen ihre Ausführung, obschon die gehörigen empfindenden Nerven gereizt sein können. Vor vielen Jahren gieng ich z. B. eine kleine Wette mit einem Dutzend junger Leute ein, daß sie nicht niesen würden, wenn sie Schnupftabak nähmen; obschon sie alle erklärten, daß sie es ausnahmslos thäten. Demzufolge nahmen sie alle eine Prise; da sie aber sämmtlich zu gewinnen wünschten, nieste nicht einer, obschon sich ihre Augen mit Wasser füllten, und alle ohne Ausnahme hatten mir die Wette zu bezahlen. Sir Henry Holland bemerkt,[2] daß wenn man dem Acte des Schlingens Aufmerksamkeit zuwendet, die gehörigen Bewegungen gestört werden; und hieraus erklärt es sich wahrscheinlich, wenigstens zum Theil, daß es manchen Personen so schwer wird, eine Pille zu verschlucken.

Ein andres sehr geläufiges Beispiel einer Reflexthätigkeit ist das unwillkürliche Schließen der Augenlider, wenn die Oberfläche des Auges berührt wird. Eine ähnliche blinkende Bewegung wird dadurch verursacht, daß ein Schlag nach dem Gesichte zu gerichtet wird. Dies ist aber eine gewohnheitsgemäße und keine streng reflectorische Thätigkeit, da der Reiz durch die Seele und nicht durch die Erregung eines peripherischen Nerven überliefert wird. Meist wird der ganze Körper und Kopf zu gleicher Zeit plötzlich zurückgezogen. Indessen können diese letzteren Bewegungen verhindert werden, wenn die Gefahr unsrer Einbildungskraft nicht drohend erscheint; daß uns aber unser Verstand sagt, es sei keine Gefahr vorhanden, reicht nicht aus. Ich will eine unbedeutende Thatsache hier erwähnen, welche diesen Punkt erläutert und welche mich zu ihrer Zeit sehr amüsirt hat. Ich brachte mein Gesicht dicht an die dicke Glasscheibe vor einer Puff-Otter in dem zoologischen Garten mit dem festen Entschlusse, nicht zurückzufahren, wenn die Schlange auf mich losstürzte. Sobald aber der Stoß ausgeführt wurde, war es mit meinem Entschlusse aus, und ich sprang ein oder zwei Yards mit erstaunlicher Geschwindigkeit zurück.


  1. s. die sehr interessante Erörterung über den ganzen Gegenstand in Cl. Bernard, Tissus Vivants. 1866, p. 353—356.
  2. Chapters on Mental Physiology. 1858, p. 85.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/40&oldid=- (Version vom 31.7.2018)