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wären, so würden ihre Bewegungen in hohem Grade ausdrucksvoll gewesen sein, wie es bei allen den Thieren der Fall ist, die mit ihren Zähnen kämpfen; und wir können annehmen, daß unsere frühern Urerzeuger in dieser Weise kämpften, da wir noch immer den Eckzahn der einen Seite entblößen, wenn wir Jemandem Hohn oder Trotz bieten, und wir unsere sämmtlichen Zähne zeigen, wenn wir in rasende Wuth gerathen.

Die Bewegungen des Ausdrucks im Gesicht und am Körper, welcher Art auch ihr Ursprung gewesen sein mag, sind an und für sich selbst für unsere Wohlfahrt von großer Bedeutung. Sie dienen als die ersten Mittel der Mittheilung zwischen der Mutter und ihrem Kinde; sie lächelt ihm ihre Billigung zu und ermuthigt es dadurch auf dem rechten Wege fortzugehen, oder sie runzelt ihre Stirn aus Misbilligung. Wir nehmen leicht Sympathie bei Andern durch die Form ihres Ausdrucks wahr; unsere Leiden werden dadurch gemildert und unsere Freuden erhöht; und damit wird das gegenseitige wohlwollende Gefühl gekräftigt. Die Bewegungen des Ausdrucks verleihen unsern gesprochenen Worten Lebhaftigkeit und Energie. Sie enthüllen die Gedanken und Absichten Anderer wahrer als es Worte thun, welche gefälscht werden können. Wie viel Wahrheit die sogenannte Wissenschaft der Physiognomie überhaupt enthalten mag, scheint, wie Haller schon vor langer Zeit bemerkt hat[1], davon abzuhängen, daß verschiedene Personen je nach ihren Gemüthsstimmungen verschiedene Gesichtsmuskeln in häufigen Gebrauch bringen; die Entwickelung dieser Muskeln wird hierdurch vielleicht verstärkt und die in Folge ihrer gewohnheitsgemäßen Zusammenziehung im Gesicht auftretenden Linien oder Furchen werden damit tiefer und auffallender. Der freie Ausdruck einer Gemüthserregung durch äußere Zeichen macht sie intensiver. Auf der andern Seite macht das Zurückdrängen aller äußern Zeichen, so weit dies möglich ist, unsere Seelenbewegungen milder[2]. Wer seiner Wuth durch heftige Geberden nachgibt, wird sie nur vergrößern; wer die äußern Zeichen der Furcht nicht der Controle des Willens unterwirft, wird Furcht in einem bedeutenderen Grade empfinden; und wer in Unthätigkeit verharrt, wenn er von Kummer überwältigt wird, läßt sich die beste Aussicht entgehen, die


  1. citirt von Moreau in seiner Ausgabe des Lavater, 1820, Tom. IV, p. 211.
  2. Gratiolet (De la Physionomie, 1865, p. 66) betont die Richtigkeit dieser Folgerung.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/355&oldid=- (Version vom 31.7.2018)