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sehr analog ist, welcher gewöhnlich ein Erröthen erregt. Auch dürfen wir uns darüber nicht überrascht fühlen, da, wie es die Annahme Mehrerer ist, selbst die Sympathie mit einer andern Person, welche einen offenbaren Bruch der Etikette begeht, wie wir eben gesehen haben, zuweilen ein Erröthen verursacht.

Ich komme denn endlich zum Schlusse, daß das Erröthen, mag es Folge der Schüchternheit oder Scham wegen eines wirklichen Verbrechens oder der Scham wegen eines Bruchs der Gesetze der Etikette oder Bescheidenheit aus Demuth oder der bei einer Unzartheit sich regenden Sittsamkeit sein, in allen Fällen von demselben Grundsatze abhängt, und dieser Grundsatz ist eine empfindliche Rücksicht für die Meinung und ganz besonders für die Geringschätzung Anderer, ursprünglich in Beziehung auf unsere persönliche Erscheinung, speciell unseres Gesichts, und in zweiter Linie durch die Kraft der Association und der Gewohnheit in Bezug auf die Meinung Anderer über unser Betragen.


Theorie des Erröthens. — Wir haben nun zu betrachten, warum der Gedanke, daß Andere etwas von uns denken, unsern capillaren Kreislauf afficiren sollte. Sir Ch. Bell hebt hervor,[1] daß das Erröthen eine specielle Einrichtung für den Ausdruck unseres Inneren ist, „wie man daraus schließen kann, daß sich die Farbe nur auf die Oberfläche des Gesichts, des Halses und der Brust erstreckt, d. h. die am meisten exponirten Theile. Es ist nicht erlangt; es besteht von Anfang an“. Dr. Burgess glaubt, daß es vom Schöpfer beabsichtigt war, „damit die Seele souveräne Gewalt habe, auf den Wangen die verschiedenen innern Erregungen der moralischen Gefühle darzustellen“, so daß es für uns selbst als eine Art Hemmnis und für andere als ein Zeichen dient, daß wir Gesetze verletzen, welche heilig gehalten werden sollten. Gratiolet bemerkt: „Or, comme il est dans l'ordre de la nature que l'être social le plus intelligent soit aussi le plus intelligible, cette faculté de rougeur et de pâleur qui distingue l'homme, est un signe naturel de sa haute perfection.“

Dem Glauben, daß das Erröthen speciell vom Schöpfer beabsichtigt worden sei, steht die allgemeine Theorie der Entwickelung


  1. Bell, Anatomy of Expression, p. 95. Burgess, in Bezug auf das weiter unten folgende Citat, a. a. 0. p. 49. Gratiolet, De la Physionomie, p. 94.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/328&oldid=- (Version vom 8.12.2022)