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Wenn dann nun, wie nicht bezweifelt werden kann, eine innige Sympathie zwischen der capillaren Circulation in dem Theile des Gehirns, von welchem unsere Geistesfähigkeiten abhängen, und in der Haut des Gesichts besteht, so ist es nicht überraschend, daß die moralischen Ursachen, welche intensives Erröthen hervorrufen, gleichfalls und zwar unabhängig von ihrem eigentlichen störenden Einflusse eine starke Verwirrung des Geistes verursachen.


Die Natur der Seelenzustände, welche Erröthen herbeiführen. — Es bestehen dieselben aus Schüchternheit, Scham und Bescheidenheit; das wesentlichste Element bei allen ist Aufmerksamkeit auf sich selbst. Viele Gründe können für die Annahme beigebracht werden, daß ursprünglich diese Selbstbeachtung, welche der persönlichen Erscheinung zugewendet ist, in Bezug auf die Meinung Anderer, die erregende Ursache war. Dieselbe Wirkung wurde dann später, in Folge der Kraft der Association, durch Selbstaufmerksamkeit in Bezug auf die moralische Führung hervorgebracht. Es ist nicht der einfache Act, über unsere eigene Erscheinung nachzudenken, sondern der Gedanke, was Andere von uns denken, welcher ein Erröthen hervorruft. In absoluter Einsamkeit würde die empfindlichste Person vollständig indifferent über ihre Erscheinung sein. Wir empfinden Tadel oder Misbilligung viel schärfer als Billigung; in Folge dessen verursachen geringschätzende oder lächerlich machende Bemerkungen, mögen sie sich auf unsere Erscheinung oder unser Betragen beziehen, viel leichter ein Erröthen als Lob. Unzweifelhaft sind aber Lob und Bewunderung äußerst wirksam. Ein hübsches Mädchen erröthet, wenn ein Mann sie scharf ansieht, trotzdem sie vollkommen sicher weiß, daß er sie nicht geringschätzt. Viele Kinder erröthen ebenso wie alte und empfindsame Personen, wenn sie sehr gelobt werden. Später wird die Frage erörtert werden, woher es gekommen ist, daß das Bewußtsein, Andere schenken unserer persönlichen Erscheinung Aufmerksamkeit, dahin geführt hat, daß die Haargefäße, speciell die des Gesichtes, im Augenblicke mit Blut gefüllt werden.

Die Gründe, weshalb ich annehme, daß die der persönlichen Erscheinung und nicht dem moralischen Betragen zugewendete Aufmerksamkeit das fundamentale Element bei der Erlangung der Gewohnheit des Erröthens gewesen ist, sollen jetzt mitgetheilt werden. Einzeln sind sie unbedeutend, besitzen aber in Verbindung, wie es mir


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/318&oldid=- (Version vom 31.7.2018)