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Mr. Washington Matthews hat häufig ein Erröthen auf den Gesichtern der jungen Mädchen gesehen, die zu verschiedenen wilden Indianerstämmen von Nord-America gehörten. Am entgegengesetzten Ende des Continents im Feuerlande erröthen die Eingebornen der Angabe Mr. Bridges' zufolge „sehr, aber vorzüglich mit Rücksicht auf Frauen; sie erröthen aber sicher auch über ihre eigene persönliche Erscheinung“. Diese letztere Angabe stimmt mit dem überein, dessen ich mich von dem Feuerländer Jemmy Button erinnere, welcher erröthete, als er über die Sorgfalt geneckt wurde, mit welcher er seine Schuhe blank machte und sich auf andere Weise noch schmückte. In Bezug auf die Aymara-Indianer auf dem hochgelegenen Plateau von Bolivien sagt Mr. Forbes,[1] daß es wegen der Farbe ihrer Haut unmöglich ist, ihr Erröthen so deutlich zu sehen, wie bei den weißen Rassen. „Es läßt sich aber unter solchen Umständen, welche bei uns ein Erröthen hervorrufen würden, immer derselbe Ausdruck der Bescheidenheit oder Verwirrung erkennen, und selbst im Dunkeln kann man eine Erhöhung der Temperatur der Haut des Gesichtes fühlen, genau so, wie es bei Europäern vorkommt.“ Bei den Indianern, welche die warmen gleichförmig feuchten Theile von Süd-America bewohnen, antwortet dem Anscheine nach die Haut der geistigen Erregung nicht so leicht wie bei den Eingebornen der nördlichen und südlichen Theile des Continents, welche lange großem Klimawechsel ausgesetzt gewesen sind; denn Humboldt citirt, ohne einen Protest dagegen zu erheben, die spöttische Bemerkung des Spaniers: „Wie kann man denen trauen, welche nicht erröthen können?“[2] Wo Spix und Martius von den Ureinwohnern von Brasilien sprechen, führen sie an, daß man nicht eigentlich sagen könne, sie erröthen; „erst nach langem Verkehr mit den Weißen und nachdem sie eine gewisse Erziehung erhalten hatten, konnten wir bei den Indianern eine Veränderung der Farbe wahrnehmen, welche für die Erregungen ihrer Seele ausdrucksvoll war“.[3] Es ist indeß unglaublich, daß das Vermögen zu erröthen in dieser Weise entstanden sein könne: die Gewohnheit der Selbstaufmerksamkeit aber, welche eine Folge ihrer Erziehung und ihrer neuen Lebensweise war, dürfte jene eingeborne Neigung zum Erröthen bedeutend verstärkt haben.


  1. Transact. of the Ethnolog. Society. Vol. II, 1870, p. 16.
  2. Humboldt, Personal Narrative. Vol. III, p. 229.
  3. citirt von Prichard, Physic. History of Mankind, 4. edit, Vol.1,1851, p. 271.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/311&oldid=- (Version vom 31.7.2018)