Seite:DarwinAusdruck.djvu/304

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

durch keine Einwirkung auf den Körper verursachen. Es ist der Geist, welcher afficirt sein muß. Das Erröthen ist nicht bloß unwillkürlich; vielmehr erhöht schon der Wunsch es zu unterdrücken, dadurch, daß er zur Aufmerksamkeit auf sich selbst führt, factisch die Neigung dazu.

Jüngere Individuen erröthen viel leichter und häufiger als alte, aber nicht während der ersten Kindheit;[1] dies ist deshalb merkwürdig, weil wir wissen, daß kleine Kinder in einem sehr frühen Alter vor Leidenschaft roth werden. Ich habe den authentischen Bericht über zwei kleine Mädchen im Alter von zwischen zwei und drei Jahren erhalten, welche errötheten, ferner von einem andern empfindlichen, ein Jahr älteren Kinde, welches erröthete, wenn es wegen eines Fehlers getadelt wurde. Viele Kinder erröthen in einem etwas vorgeschritteneren Alter in einer scharf ausgesprochenen Weise. Es scheint, als wären die geistigen Kräfte kleiner Kinder noch nicht hinreichend entwickelt, um ein Erröthen bei ihnen zu gestatten. Daher kommt es auch, daß Idioten selten erröthen. Dr. Crichton Browne beobachtete für mich die unter seiner Pflege Befindlichen, sah aber niemals ein rechtes Erröthen, obschon er gesehen hat, daß ihr Gesicht, allem Anscheine nach aus Freude, wenn ihnen Nahrung vorgesetzt wurde, und aus Zorn roth wurde. Nichtsdestoweniger sind manche, wenn sie nicht im äußersten Grade erniedrigt sind, im Stande zu erröthen. So hat z. B. Dr. Behn[2] einen microcephalen Idioten von dreizehn Jahren beschrieben, dessen Augen ein wenig strahlten, wenn er sich freute, oder wenn er erheitert wurde, und welcher erröthete und sich nach der Seite umwandte, als er der ärztlichen Untersuchung wegen entkleidet wurde.

Frauen erröthen viel mehr als Männer. Es ist selten, einen alten Mann, aber nicht nahezu so selten, eine alte Frau erröthen zu sehen. Die Blinden entgehen dem Erröthen nicht. Laura Bridgman, welche in diesem Zustande und außerdem noch vollständig taub geboren wurde, erröthet.[3] Mr. R. H. Blair, Vorsteher des Worcester-College,


  1. Dr. Burgess, a. a. O. p. 56. Auf p. 33 macht er gleichfalls die Bemerkung, daß Frauen viel reichlicher erröthen als Männer, wie unten angegeben wird.
  2. citirt von C. Vogt, Mémoire sur les Microcéphales, 1867, p. 20. Dr. Burgess zweifelt daran (a. a. O. p. 56), ob Blödsinnige jemals erröthen.
  3. Lieber, On the Vocal Sounds etc. in: Smithsonian Contributions, Vol. II, 1851, p. 6.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/304&oldid=- (Version vom 31.7.2018)